Erfahrungen aus den Kommunalverwaltungen

Im Jahr 2005 hat die EKD die »Doppik« als neues System der Verwaltung in den Landeskirchen empfohlen. In etlichen Landeskirchen ist dies bereits eingeführt oder steht zur Umsetzung an. Der Bund erachtet indessen einen »erheblichen finanziellen und organisatorischen Mehraufwand« als Nachteil der Doppik. Bis eine umfassende Bilanz der EKD zur Einführung der Doppik in den Landeskirchen vorliegt, mögen empirische Studien aus dem Kommunal- und Staatssektor wie diejenigen von Jörg Bogumil für eine aktuelle Einschätzung dienen.1


1. Das Konzept des Neuen Steuerungsmodells (NSM)

Erst relativ spät wurde in Deutschland das New Public Management eingeführt. In den 1990er Jahren verbreitete sich dieser an der Effizienz orientierte Diskurs zur Neuorganisation des öffentlichen Sektors zunächst in den Kommunen. Ein umsetzungsreifes Konzept hierfür wurde von der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) in Köln mit dem sog. Neuen Steuerungsmodell (NSM) vorgelegt. Gemeinsam mit großen Teilen der betriebswirtschaftlich orientierten Verwaltungsforschung postulierte sie einen Modernisierungs- und Effizienzrückstand der deutschen Verwaltung im internationalen Vergleich.

Der deutsche Reformpfad unterschied sich signifikant von vielen ausländischen »Vorbildern«. Es ging im NSM weniger um eine Neubestimmung des staatlichen Außenverhältnisses (Privatisierung, marktlicher Wettbewerb etc.), sondern in erster Linie um eine Binnenmodernisierung der Kommunalverwaltung. Durch Dezentralisierung, finanzielle Anreize und stärkere Outputorientierung sollte die Verwaltung effizienter werden, auch um gegenüber der privatwirtschaftlichen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben. Der hierarchische Aufbau der Verwaltung, der einst als Errungenschaft des Idealtypus der rationalen Bürokratie galt, wurde nun als ineffizienter »bürokratische Zentralismus« (Banner 1991) kritisiert. Bezug genommen wurde dabei auf privatwirtschaftliche Modelle und die dort beobachtbaren Dezentralisierungs- und Reformprozesse, ohne allerdings die massiven empirischen Umsetzungsprobleme in der Privatwirtschaft ausreichend zu reflektieren. Wesentliche Bausteine des von der KGSt entwickelten NSM sind:

• ein Kontraktmanagement zwischen Politik und Verwaltung, nach dem die Politik nur noch die Ziele (»was«) definieren und die Ausführung der Verwaltung überlassen sollte (»wie«), um eine wirtschaftlichere Aufgabenerledigung zu gewährleisten

• die Zusammenführung von Aufgaben- und Finanzverwaltung in Fachbereichen insbesondere durch Budgetierung und damit einhergehend Dezentralisierung der Haushaltskompetenzen

• der Übergang von der Input- zur Outputsteuerung durch flächendeckende Gliederung des Haushaltsplans in Produkten und den Aufbau einer Kosten- und Leistungsrechnung.

Rund 15 Jahre nach Beginn der Reformbewegung, stellt sich die Frage nach den Folgen und Wirkungen dieser Reformen. Basierend auf den Ergebnissen einer Studie zur Evaluation des NSM, die die bislang umfassendste empirische Erhebung hierzu in Deutschland darstellt, soll im Folgenden kurz über die Umsetzung und Wirkung dieses Reformmodells berichtet werden (vgl. Bogumil u.a. 2007).


2. Das NSM in der Praxis

Zweifelsohne haben die deutschen Kommunen seit Beginn der 1990er Jahre die Modernisierung ihrer Verwaltungen beachtlich vorangetrieben. 92% der antwortenden Kommunen geben an, seit den 1990er Jahren Maßnahmen zur Verwaltungsmodernisierung durchgeführt zu haben. Das Konzept des Neuen Steuerungsmodells als umfassendes Reformleitbild wurde allerdings nur in knapp 16% der Kommunen aufgegriffen. Eine überwiegende Mehrheit (66%) orientierte sich nur an einzelnen Instrumenten des NSM und sah darin eher einen Werkzeugkasten denn ein holistisches Reformkonzept. Als Auslöser der Modernisierungsanstrengungen nennt eine deutliche Mehrheit der befragten Bürgermeister die »problematische Haushaltslage« als dringlichstes Problem, gefolgt von »verkrusteten Verwaltungsstrukturen« und der »Trennung von Fach- und Ressourcenverantwortung«. Ein Großteil der modernisierenden Kommunen begann in den Jahren zwischen 1994 und 1997 mit dem Umbau ihrer Verwaltung; nach dieser »Hochkonjunktur des NSM« nahm die Anzahl der Neubeginner deutlich ab.

Wirft man nun einen Blick über die »Verlautbarungsebene« hinaus auf die tatsächliche Implementation von NSM-Instrumenten, so zeigt sich ein deutliches Auseinanderfallen zwischen dem Konzept und der Realität. Gemessen an wesentlichen NSM-Elementen ist die Bilanz ernüchternd. Nach mehr als zehn Jahren Reform lässt sich kein einziges Element benennen, das von der Mehrheit der deutschen Kommunen inzwischen in der ganzen Verwaltung implementiert worden ist. Bezieht man dagegen die Kommunen mit ein, die die Einführung von NSM-Instrumenten in Teilbereichen ihrer Verwaltungen umgesetzt haben, verringert sich die Diskrepanz zwischen Konzept und Realität. Des Weiteren ist auffällig, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Kundenorientierung in deutlich größerem Umfang als alle anderen NSM-Elemente umgesetzt wurden (vor allem die Einrichtung von Bürgerämtern mit 55%). Dennoch besteht nach wie vor eine erhebliche »Implementationslücke«, bezogen auf wesentliche Konzeptbausteine des NSM.


3. Auswirkungen des NSM und Resultate seiner Einführung

Ist es nun durch das NSM zu Einsparungen und Effizienzgewinnen, zu einer Verbesserung von Servicequalität, Verfahrensdauer, Kundenfreundlichkeit und insgesamt zu einer Stärkung der politischen und gesamtstädtischen Steuerung gekommen?

Zunächst werden von den kommunalen Akteuren Effizienzgewinne und Einsparungen konstatiert. Eine intensivere Betrachtung im Rahmen von Fallstudien fördert hier allerdings keine eindeutigen Einsparerfolge zutage. Effizienzgewinne und Einsparungen in Teilbereichen und insbesondere eine erhöhte Kostensensibilität sind zwar in zahlreichen Kommunen eingetreten. Stellt man aber die mit der Verwaltungsmodernisierung entstehenden Kosten durch Sach- und Personalaufwand in der Planung, bei der Einführung und im laufenden Betrieb in Rechnung, fällt die Gesamtbilanz eher negativ aus.

Auf der Outputseite hat es zweifelsohne sichtbare Verbesserungen gegeben. Ausweislich der Umfrageergebnisse hat vor allem der Umbau der Organisationsstruktur (insbesondere die Einführung von Fachbereichsstrukturen, der Abbau von Hierarchieebenen sowie der Übergang zu Teamstrukturen) zu markanten Outputverbesserungen geführt. Augenfällig ist eine stärkere Bürger- und Kundenorientierung, die vor allem auf den Siegeszug des Bürgeramtkonzeptes zurückzuführen ist. Weiterhin sind auf der Outputseite zahlreiche sektorale Bereiche zu nennen, in denen es durch eher klassische Maßnahmen der Organisationsentwicklung zu deutlichen Leistungsverbesserungen und Verfahrensverkürzungen kam.

Die angestrebten Veränderungen hinsichtlich der politischen Steuerung und einer verstärkten Mitarbeiterorientierung konnten kaum realisiert werden. Die Verbesserung der gesamtstädtischen politischen Steuerung ist das am seltensten bearbeitete Problemfeld im Neuen Steuerungsmodell und dort, wo Bestrebungen unternommen wurden, erzielt man selten positive Ergebnisse. Es zeigt sich, dass eine bessere Transparenz und Informationslage nicht automatisch zu besserer Steuerung führt. Darüber hinaus sind die lokalen Vertretungskörperschaften aus nachvollziehbaren Gründen nicht willens, sich auf die im NSM geforderte Steuerung auf Abstand einzulassen. Gleichzeitig zeigen sich in den Kommunen zahlreiche zentrifugale Tendenzen, ausgelöst einerseits durch die Dezentralisierungspolitiken im Rahmen des NSM, denen keine adäquaten Steuerungsverfahren entgegengesetzt werden und die so zu einer verwaltungsinternen Abkopplung der Fachbereiche von gesamtstädtischen Zielen führen. Insgesamt ist eher von Steuerungsverlusten auszugehen, denen nur unzureichende Anstrengungen entgegengesetzt werden, um die Steuerungsfähigkeit etwa durch effektives Controlling und Zielvereinbarungen zu re-etablieren.

Die abnehmende Mitarbeiterzufriedenheit stellt ein weiteres Problem dar, das sich aufgrund der Gleichzeitigkeit von Haushaltskonsolidierung und Verwaltungsmodernisierung eher noch verschärft hat und sich inzwischen in Reformmüdigkeit niederschlägt. In zahlreichen Fällen wird Verwaltungsmodernisierung als Bedrohung wahrgenommen und mit Personalabbau assoziiert, was zu Frustration und Desavouierung neuer Reformkonzepte führt. Die Beteiligung der Mitarbeiter wurde in vielen Fällen nicht ernst genommen und der substanzielle Einfluss der Mitarbeiter blieb gering, sodass sich die Akzeptanz der Reform weiter reduzierte.

Die vorgestellten Ergebnisse zeichnen also insgesamt ein ambivalentes Bild: Einerseits gibt es in den deutschen Kommunen eine breite Bewegung für eine Verwaltungsmodernisierung. Zahlreiche Maßnahmen wurden in die Wege geleitet, zum Teil erfolgreich, aber auch mit deutlichen Rückschlägen. Eine einheitliche Entwicklung, ein umfassender »Paradigmenwechsel« der deutschen Verwaltung vom weberianischen Bürokratiemodell zum New Public Management ist allerdings nicht festzustellen. Gemessen an den ursprünglichen Absichten des NSM könnte man in einem harten Soll-Ist-Vergleich von einem weitgehenden Scheitern sprechen (vgl. Holtkamp 2008). Allerdings haben sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker von vornherein auf einige konzeptionelle Problemlagen des NSM aufmerksam gemacht. Gemessen an den Erkenntnissen über die Veränderungsresistenz öffentlicher Verwaltungen sieht die Bilanz im Zeitvergleich hingegen besser aus. Die Kommunalverwaltungen sind heute ohne jeden Zweifel vor allem bürger- und kundenorientierter: Zu denken ist insbesondere an die Schaffung von Bürgerbüros, Verfahrensbeschleunigung oder die Stärkung professioneller Konzepte im Sozial- und Jugendhilfebereich (vgl. hierzu Grohs 2010). Allerdings sind dies keine originären Kernelemente einer betriebswirtschaftlichen »Neuen Steuerung«, obgleich sie wahrscheinlich ohne das NSM nicht in diesem Maß umgesetzt worden wären. Die Verwirklichung des NSM als Reformkonzept ist inzwischen vielfach ins Stocken geraten, beschränkt sich auf »Modernisierungsinseln« und die selektive Umsetzung einzelner Instrumente. Hierfür sind neben schlechten finanziellen Rahmenbedingungen insbesondere die konzeptionellen Mängel eines zu stark betriebswirtschaftlich ausgerichteten Modells ursächlich.

Anstatt modernisierter Verwaltungsstrukturen ist vielfach gerade in den Kommunen, die sich zwischenzeitlich auf diese zubewegt hatten, eine Rückkehr zu Max Weber festzustellen. Auf die (unbeabsichtigten) Folgeprobleme der NSM-Reform wurde in den Pionierkommunen entweder dadurch reagiert, dass man die neuen Strukturen und Verfahren bewusst »zurückbaut« oder dass man im Verwaltungsalltag sukzessiv wieder auf altbewährte Handlungsroutinen vertraut. Die deutschen Kommunen unterliegen damit – zumindest binnenorganisatorisch gesehen – derzeit eher einem Trend zur Rezentralisierung und Rehierarchisierung, zu dem, neben den erkannten NSM-Funktionsstörungen, vor allem auch die sich zuspitzende Finanzkrise einen erheblichen Beitrag geleistet hat. In der Konsequenz rücken sie – und dies ist als ein wichtiger Lerneffekt zu interpretieren – von der »Reinform« des NSM ab und dürften gerade dadurch in die Lage versetzt sein, die negativen Reformwirkungen zu bearbeiten und zu beheben. Damit hat partiell eine Art Rückbesinnung auf das »Max-Weber-Modell« der hierarchie- und regelgesteuerten Verwaltung stattgefunden, ohne dass freilich alle Reformelemente gleich über Bord geworfen werden, denn die über ein Jahrzehnt währende Diskursvorherrschaft des NSM dürfte deutliche Spuren hinterlassen haben. Die Organisationskultur und Einstellungswelt in der Kommunalverwaltung haben sich nachhaltig verändert und der Gedanke eines (mehr oder minder machbaren) Konzepttransfers aus der Privatwirtschaft könnte im »institutionellen Gedächtnis« der Kommunen verbleiben. Dass in der deutschen Verwaltung heute nicht nur über Rechtsförmigkeit und formale Richtigkeit, sondern auch über Kosten und Leistungen nachgedacht und diskutiert wird, ist kaum zu bestreiten. Ein neues Verwaltungsmodell ist indes noch nicht entstanden (Bogumil u.a. 2007; Holtkamp 2008).

Eine positivere Sicht der Dinge wird dagegen von den Reformprotagonisten skizziert. Sie betonen, dass die Verwaltungen durch das NSM effizienter geworden seien, gestehen aber zu, dass das Modell nicht seine volle Effizienzwirkung entfalten konnte. Allerdings sei dies nicht auf Fehler im Konzept zurückzuführen, sondern ein Implementationsproblem in den Kommunen (KGSt 2007: 64). Die kommunalen Akteure pickten sich aus dieser Perspektive nur die Teile aus dem Gesamtkonzept heraus, die ihren Interessen entsprachen bzw. die keine massiven Akteurswiderstände erwarten ließen. Weil das Modell nicht ganzheitlich umgesetzt wurde, konnte es demnach nicht seine volle positive Wirkung entfachen. Durch das in vielen Bundesländern verpflichtende Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) werde sich dies nun erheblich verbessern, wenn in einem zweiten Anlauf wesentliche Bestandteile des NSM gesetzlich vorgeschrieben werden. Es wird unterstellt, mit der gesetzlichen Verankerung werde den Modernisierungsbefürwortern in den Kommunen der Rücken gestärkt und das NSM eher als Gesamtpaket implementiert. Im Folgenden sollen deshalb ergänzend erste Erfahrungen mit dem NKF aus NRW betrachtet werden (vgl. ausführlich Bogumil/Ebinger/Holtkamp 2011 und 2012; Bogumil/Holtkamp 2012).


4. Das Neue Kommunale Finanzmanagement in der Praxis

Der gesetzlich erzwungene Umstellungsprozess von der Kameralistik auf das Neue Kommunale Finanzmanagement hat in den Kommunen zur Folge, dass das Rechnungswesen stärker an der kaufmännischen Buchführung (Doppik) von Unternehmen orientiert werden soll. Insbesondere sollen damit erstmals das kommunale Vermögen, der Vermögensverzehr und die Zukunftsbelastungen durch Pensionen systematisch in die Kommunalhaushalte einfließen, die im kameralen Haushalt nicht oder nur unzureichend abgebildet wurden. Allerdings handelt es sich beim NKF nicht nur um eine neue Variante der Rechnungslegung. Durch die Reform des Haushalts- und Rechnungssystems durch das Ressourcenverbrauchskonzept sollen die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre Verwaltungssteuerung zu verbessern. Deutlich wird diese untrennbare Zielvorgabe in folgendem Zitat des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz:

»Ziel der Haushaltsreform war die Einführung eines Rechnungswesens, das nicht nur zahlungsorientiert ist und den ›Geldverbrauch‹ nachweist, sondern vollständig über den Verbrauch an finanziellen und sachlichen Ressourcen informiert, indem auch der Werteverzehr des kommunalen Vermögens berücksichtigt wird. Damit sollte das neue Haushaltsrecht als Grundlage dienen, dass sich Gemeinden und Gemeindeverbände in ihrer Haushaltsführung wirtschaftlicher als bisher verhalten. Mit der kommunalen Doppik sollte demnach nicht nur ein neues Rechnungssystem eingeführt, sondern insbesondere die Verwaltungssteuerung verbessert werden. Die kommunalen Mandatsträger sollten in die Lage versetzt werden, nicht nur anhand von Ausgabeermächtigungen, sondern durch Vorgabe von Zielen für kommunale Leistungen zu steuern« (Landesrechnungshof Rheinland Pfalz 2011, S. 47 – Hervorhebung J.B.).

Diese Vorgaben gelten im Prinzip für alle Bundesländer, was nicht verwunderlich ist, angesichts der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom 21.11.2003 zur Reform des Gemeindehaushaltsrechtes, in denen diese Ziele nahezu identisch formuliert wurden. Insofern ist es berechtigt zu fragen: Haben wir nun bessere Informationen über die Finanzlage in den Kommunen und ist die Verwaltungssteuerung verbessert worden?

Durch die Doppik und die auf ihr aufbauende Kosten- und Leistungsrechnung ist es an vielen Stellen möglich, genauer festzustellen, was bestimmte öffentliche Leistungen kosten. So kostet beispielsweise ein Kindergartenplatz zwischen 500 und 900 Euro, von denen die Eltern durchschnittlich 200 Euro bezahlen, der Rest wird von den Kommunen oder dem Land subventioniert. Ähnliche Daten haben wir über VHS-Kurse, Personalausweise oder zahlreiche andere Verwaltungsleistungen. Eigentlich interessiert jedoch nicht nur, was etwas kostet, sondern wie die Qualität der Leistungen ist, denn das Verhältnis von Qualität und Kosten soll die Grundlage für politische Entscheidungen bilden. Im Bereich der Qualität gibt es jedoch nach wie vor größere Erfassungsschwierigkeiten. Zudem stellt sich die Frage, ob diese Daten immer Hilfestellungen geben, die politische Steuerung zu optimieren. Dort, wo dies nicht der Fall ist, sind sie interessant, aber möglicherweise nutzlos.

Relativ unstrittig ist, dass auf der Basis der Doppik prinzipiell die reale Finanzlage unter Berücksichtigung von Vermögen, Abschreibungen und Schulden besser erfasst werden kann, wenngleich es auch hier Spielraum für Buchungstricks und Schönrechnerei gibt, aber dies spricht nicht generell gegen dieses Instrument. Die Transparenz über die reale Vermögenslage einer Kommune kann durch die Doppik ohne Zweifel erhöht werden. Die Fragen, die sich anschließen, sind indes: Stehen die Kosten für den Aufbau der Doppik in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen? Wird durch die Doppik der Informationsstand für die Kommunalpolitik und wird die politische Steuerung verbessert?

Diese Punkte sind zumindest umstritten. Die vorliegenden empirischen Untersuchungen offenbaren erhebliche Befürchtungen, dass sich die Versprechungen der Doppik nicht einlösen lassen. Deutlich wird dies nicht nur an unseren repräsentativen Befragungen aus NRW, sondern auch, wenn man Ergebnisse der Rechnungshöfe und Regierungskommissionen anderer Bundesländer sowie die Umfrage der KGSt und der kommunalen Spitzenverbände aus dem Jahr 2010 heranzieht (vgl. hierzu Buchholz/Lazar 2010; Bolay 2012; Schäfer u.a. 2010; Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz 2011; Landesrechnungshof Mecklenburg Vorpommern 2011). Am umfassendsten wurde die kommunale Doppik in Rheinland-Pfalz vom Landesrechnungshof in Kooperation mit dem Institut für Gesetzesfolgenabschätzung der Universität Speyer in seinem aktuellen Bericht untersucht. Im Fazit heißt es dort für die geprüften und detailliert befragten Kommunen:

»Mit der Umstellung des Rechnungswesens, die landesweit einen Einführungsaufwand von hochgerechnet mindestens 140 Mio. Euro verursacht hat und einen zusätzlichen Personalaufwand von überschlägig 14 Mio. Euro im Jahr erfordert, sind bisher keine geldwerten Steuerungsvorteile verbunden. Die Mehrzahl der Gemeinden und Gemeindeverbände hat die doppischen Steuerungsinstrumente (Ziele, Leistungsmengen, Kennzahlen, Kosten- und Leistungsrechnung sowie Berichtswesen) noch nicht eingeführt. Soweit sie zum Einsatz kommen, ist ihre Ausgestaltung für eine Steuerung weitgehend ungeeignet« (Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz 2011, S. 4).

Auch zum Thema Transparenz kommt der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz zu ganz ähnlichen Ergebnisse wie wir für NRW:

»Durch die Umsetzung des Haushaltsrechts werden die Haushaltspläne im Vergleich zur Kameralistik vielfach deutlich umfangreicher. Dadurch sind Transparenz und Steuerungsnutzen der Pläne empfindlich beeinträchtigt«(vgl. ebd.).

Möglicherweise profitieren mittlerweile die Dezernenten und Amtsleiter von den neuen doppischen Haushaltsplänen (wenngleich auch hier Zweifel bestehen, denn längere Berichte sind keine besseren Berichte), die Kommunalpolitiker aber sicher nicht. In unserer Umfrage in NRW hatten fast 80% der Fraktionsvorsitzenden und 85% der Bürgermeister die Doppik als intransparenter angesehen. Vielfach verstehen nicht einmal die Haushaltsexperten der Fraktionen die neuen Pläne und sehnen sich nach den alten Unterabschnitten zurück.

Bis zum empirischen Beweis des Gegenteils ist deshalb davon auszugehen, dass die Transparenz und die Effizienz der Doppik, genauso wie die des Neuen Steuerungsmodells zuvor, zumindest fraglich sind. Dass durch eine bessere Informationsversorgung quasi automatisch bessere politische Entscheidungen getroffen werden, ist darüber hinaus sowieso ein Mythos von Teilen der betriebswirtschaftlichen Verwaltungswissenschaft, auf den schon seit langem hingewiesen wurde (vgl. zusammenfassend Bogumil 2011). Entsprechend zeigen nicht nur unsere Ergebnisse aus NRW sondern auch die Umfrage der KGSt und der kommunalen Spitzenverbände, dass die ergebnisorientierte Steuerung nur »schleppend voranschreitet«, obwohl einige Kommunen die Doppik bereits mehrere Jahre nutzen (Buchholz/Lazar 2010, S. 298).

Insgesamt ist mir bisher kein einziger extern evaluierter »Erfolgsfall« der Doppik in Deutschland bekannt. Politische Entscheidungsträger wie auch solche quasi-öffentlicher Einrichtungen wie der Kirchen tun also gut daran, wenn sie die Doppik mit outputorientierter Budgetierung nicht automatisch einführen, sondern zunächst die Kosten dieser Reform prüfen und in kleinen Modellprojekten erproben.

 

Literatur:

Banner, Gerhard (1991): Von der Behörde zum Dienstleistungsunternehmen – Die Kommunen brauchen ein neues Steuerungsmodell, in: VOP 1/91, 6-11.

Banner, Gerhard (2008): Logik des Scheiterns oder Scheitern an der Logik?, in: dms 2/08, 447-455

Bogumil, J. (2011): Die Umgestaltung des Verhältnisses von Politik und Verwaltung, in: Blanke, Bernhard/Nullmeier, F./Reichard, C./Wewer, G. (Hg.), 2011: Handbuch zur Verwaltungsreform. 4. aktualisierte und ergänzte Auflage. Wiesbaden, 536-545.

Bogumil, J./Grohs, S./Kuhlmann, S./Ohm, A.K. (2007): Zehn Jahre Neues Steuerungsmodell – Eine Bilanz kommunaler Verwaltungsmodernisierung, Modernisierung des öffentlichen Sektors, Sonderband 29, Berlin

Bogumil, J./Ebinger, F./Holtkamp, L. (2011): Vom Versuch das Neue Steuerungsmodell verpflichtend einzuführen. Wirkungen des Neuen Kommunalen Finanzmanagements in NRW, in: Verwaltung & Management, Heft 4, 171-180

Bogumil, J./Ebinger, F./Holtkamp, L. (2012): Vom Versuch, unerfreuliche Ergebnisse als normative Wissenschaft abzutun, in: Verwaltung & Management, Heft 1, 3-6

Bogumil, J./Holtkamp, L. (2012): Doppik in der Praxis: Bisher vor allem intransparent und ineffizient!, in: Verwaltung & Management, Heft 3, 115-118

Bolay, Friedrich (2012): Ist die Neue Verwaltungssteuerung in Hessen gescheitert?, in: Verwaltung & Management 1/12, 17-20

Buchholz, G./Lasar, A. (2010): Entwicklung der ergebnisorientierten Steuerung in der Kommunalverwaltung. Wesentliche Erkenntnisse aus der KGSt Umfrage zum Stand der Einführung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens, in: Verwaltung & Mangement, Heft 6, 293-303

Holtkamp, L. (2008): Das Scheitern des Neuen Steuerungsmodell, in: der moderne staat 2/08, 423-446

Kommunale Gemeinschaftsstelle (KGSt) (2007): Das Neue Steuerungsmodell: Bilanz der Umsetzung, Köln

KGSt (2008): Stand der Einführung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens. Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage, Materialien 4/2008, Köln

KGSt (2010): Stand der Einführung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens. Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage, Materialien 6/2010, Köln

Küchler-Stahn, Nicole/Siegel, John Philipp (2010): Fünf Thesen zur Weiterentwicklung der kommunalen Haushaltssteuerung, in: Verwaltung & Management, Heft 6, 304-310

Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz (2011): Kommunalbericht 2011, Mainz, Landtagsdrucksache 16/30 (download: http://www.rechnungshof-rlp.de/icc/internet/med/522/522408ec-4c63-9031-674b-ed5340d17ef8,11111111-1111-1111-1111-111111111111.pdf)

Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern (2011): Kommunalfinanzbericht 2011, Landtagsdrucksache 5/4476 (download: http://www.lrh-mv.de/land-mv/LRH_prod/LRH/Veroeffentlichungen/Jahres-_und_Sonderberichte/Jahresberichte/Jahresbericht_2011_-_Teil_1_Kommunalfinanzbericht.pdf)

Reichard, C. (2011): Vom Versuch, NSM und NKF in einen Topf zu werfen, in: Verwaltung & Management, Heft 6, 283-287

Schäfer, K.H./Krömmelbein, M./Sieg, R. (2010): Controlling als Instrument der Neuen Steuerung in Hessen, in: Controlling 2010, Heft 1, 42ff


Anmerkung:

1 Von »Basisinformationen« bis zu »Risiken und Nebenwirkungen« ist ergänzend und vertiefend eine Fülle von anschaulichem Material zum Thema »Doppik und Neue Steuerungsmodelle« aus der Praxis unter www.wort-meldungen.de im Monatsthema Mai 2013 zu finden.


 

Anregungen und Texte zu dieser Reihe senden Sie bitte per Mail an [email protected] und an [email protected]

 

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 5/2013

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