Es ist Samstagabend. Im Pfarrhaus klingelt das Telefon, am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Bestattungsunternehmen. »Ich habe Arbeit für Sie« – Bereits der wohlbekannte, mir schon seit vielen Jahren vertraute Standardsatz, mit dem der Bestatter Anrufe dieser Art beginnt, läßt mich ahnen, nein: wissen, was Anlaß seines Telefonates und im Fortgang des Gespräches zu erwarten ist. »Wir haben eine Beerdigung«, sagt er und teilt mir den Namen eines verstorbenen Gemeindegliedes mit. Für Dienstagnachmittag habe er die Beerdigung festgesetzt und auch schon angemeldet; die Angehörigen wünschten eine »schlichte Feier im kleinen Kreis«, die deshalb auch im Trauerraum seines Bestattungsinstitutes stattfände – »Die Einzelheiten werden Sie ja mit den Hinterbliebenen noch besprechen«. Unbedacht, wohl auch als Opfer der Gewohnheit, bestätige ich meine »Mitwirkung« sowie Ort und Zeit, notiere die Telefonnummer des Trauerhauses und sortiere in Gedanken bereits die nächsten Schritte, bevor wir uns freundlich voneinander verabschieden: die Abkündigungen für den Sonntagmorgen sind zu ergänzen, die Küsterin ist über das Trauergeläut am Vortag des Trauergottesdienstes, das die Gemeinde traditionell zum Gedenken an den Verstorbenen mahnt und indirekt auch auf den Trauergottesdienst am folgenden Tag öffentlich einladend hinweist, alsbald zu benachrichtigen, im Trauerhaus ist ein Besuchstermin zu verabreden, um u.a. auch den Trauergottesdienst gemeinsam vorzubereiten, über Liedwünsche und Schriftworte nachzudenken, nicht zu vergessen, für die Unterrichtsstunden der Konfirmandengruppen am Dienstagnachmittag einen (voraussichtlich ehrenamtlichen) Vertretungsdienst zu organisieren. So nimmt die »Dienstleistung«, zumindest in den überschaubaren Stufen ihrer Abfolge, ihren vermeintlich routinierten Verlauf.

Das alltägliche, zumindest wöchentliche Eingebundensein in Vorgänge wie diesen, die ganz auf den sonntäglichen Gottesdienst ausgerichtete Vorbereitung und Konzentration, das (vor mir selbst) verzeihliche, jedenfalls verständliche Nichtreflektieren eines solchen allzu üblich gewordenen, »eingespielten« Ablaufs und seiner »Rollenverteilung« läßt das Gespräch, wie es ebenso bereits hundertemal zuvor stattfand, bald von neuen Aufgaben überlagert sein. Man funktioniert. Der Pastor erscheint, nach selbstverständlich erfolgtem Trauerbesuch bei den Angehörigen, zur bestellten Zeit an bestelltem Ort. Der Trauerraum im erst vor kurzem eigens zu diesem Zweck neu errichteten »Kapellengebäude« auf dem Hofplatz des Bestatters, einer ehemaligen Tischlerei, ausgelegt für etwa 30 Personen, kann die Gemeinde nicht zur Hälfte fassen: alle Ausgänge sind geöffnet, dicht gedrängt stehen die Menschen auf dem Vorplatz – im Regen. Schließlich war der Verstorbene aktives Mitglied in mehreren Vereinen, die sich nun, gar nicht ungewöhnlich, vielmehr vorhersehbar, mit größeren »Abordnungen« eingefunden haben. Aus dem Inneren, dem »Trauerraum«, tönt mir klassische, vermeintlich andächtige Musik entgegen, alles ist offenbar über eine Stereoanlage und ein stattliches CD-Sortiment perfekt beschallt. »Mozart«, haucht mir der Bestatter mit der Begrüßung zu, und er klingt durchaus selbstzufrieden, ja fast stolz auf die technische und, wovon er überzeugt ist, atmosphärische Vollkommenheit, die er seiner Kundschaft zu bieten imstande ist. Einfühlsamkeit ist schließlich ein Teil seines »Geschäfts«. Flexibel auf die gewiß vielfältige Kundschaft und ihre bestimmt recht unterschiedlichen Wünsche vorbereitet, hat er den Raum offensichtlich nach eigenem Gutdünken, sichtlich um Neutralität und dennoch feierliche Stille bemüht, »dekoriert«. So kann er gegenüber dem Kunden erfüllen, wofür er tagsdrauf die Rechnung schreibt. Kirchliche Gesangbücher kamen ihm dabei allerdings, wie mir nach zwei Minuten deutlich wird, nicht in den Sinn: sie zählen wohl nicht zum »Deko-Sortiment« eines weltlichen Unternehmens, ebensowenig wie eine Orgel. Man ist ja modern, man bietet, voll auf der Höhe der Zeit, Lautsprecherboxen und CD-Player. Und überhaupt, es liegen ja, wie mir versichert wird, wundervolle PC-gestaltete (gestylte) Liedblätter auf allen (dreißig) Plätzen. Die Liedtexte habe er (wie mir beim kurzen Blick darauf auffällt: sogar mit allen Schreibfehlern und Textveränderungen gegenüber dem vertrauten Wortlaut) direkt aus dem Internet, versucht der Bestatter meine Irritationen aufzufangen. Nein, nein, fügt er, auf meine wohl besorgt klingende Nachfrage hin, schnell hinzu: Sie müssen das nicht selbst anstimmen, und weist dabei, wiederum mit einem Anflug von Selbstzufriedenheit ob all dieser präzisen Vorbereitungen, auf ein Keyboard in der Ecke des »Trauerraumes«, drei Meter hinterm Sarg. Als einzige Entschuldigung an diesem Tag, fast so, als müsse ich ihm für seine aufrichtige Erläuterung dankbar werden, gar Verständnis und Mitgefühl bekunden, erklärt er mir: er habe zwar alles versucht, aber ein altes Harmonium habe sich so schnell nicht besorgen lassen. Ein Blick auf die Uhr sagt mir: die Zeit drängt. Ich muß mit dem, was ich nun weiß und sehe, leben. Da das von Kirche und Friedhofskapelle vertraute Glockengeläut natürlich, was erwarte ich überhaupt!, ebenfalls fehlt, hefte ich meinen Blick, inzwischen Talar und Beffchen angelegt, an den Sekundenzeiger der Armbanduhr. Der Bestatter dreht pünktlich, da ist er wieder sehr korrekt, die Lautstärke der Beschallung zurück. Die Amtshandlung kann beginnen.

Was sich womöglich wie eine Karrikatur liest, trug sich genau so als Realsatire zu. Sowohl pfarramtlicher Erfahrungsaustausch als auch Gespräche mit Bestattern bestätigen mir, daß die geschilderten Verhältnisse inzwischen vielerorts Realität sind. Bestattungsunternehmen haben seit fünf oder zehn (oder vielleicht noch längeren) Jahren eine regelrechte »Marktlücke« entdeckt, und der anfängliche Funke dieser ursprünglich städtischen Geschäftsidee zieht nun als Flächenbrand auch in ländlichen Regionen weite Kreise. Bestatter, für deren den eigenen (und ihrer Mitarbeiter) Lebensunterhalt sichernde und deshalb gewinnorientierte Tätigkeit ich prinzipiell volles Verständnis habe, errichten zunehmend – man muß es wohl so bezeichnen: – eigene »Geschäftsräume« für Trauergottesdienste. Sie betreiben freilich kein Wohltätigkeitsunternehmen. Weder eine Finanznot noch eine Raumnot der Kirchengemeinden oder Kommunalgemeinden als Träger öffentlicher Friedhöfe hat ihnen zu einem derart großzügigen Angebot Anlaß gegeben, Investitionen zu tätigen. Merkwürdig, wenn nicht überhaupt unbegreiflich erscheint es, daß Kirchengemeinden wie Kommunalgemeinden den einhergehenden Ausfall immenser Nutzungsgebühren für die von ihnen herkömmlich mit Trauerfeiern »bewirtschafteten« Friedhofskapellen mit keinerlei Wehklagen thematisieren. Mancherorts sind Friedhofskapellen regelrecht stillgelegt (konstant geschlossen), die Einnahmen im Friedhofshaushalt damit ersatzlos entfallen, die Ursache des handfesten finanziellen Schadens achselzuckend als »Lauf der Zeit« abgetan.

Dabei gäbe es aus kirchlicher Sicht weit wichtigere, grundsätzlichere, tiefgreifendere Aspekte als allein den finanziellen, um angesichts der Entwicklungen und »Veränderungen in der Trauerkultur«1 aus dem Dornröschenschlaf aufzuwachen und ein nötiges Selbstbewußtsein zu entwickeln. Wie die eingangs geschilderte Erfahrung zeigt, sind die jeweiligen örtlichen Gemeindepfarrer/-innen bei der liturgischen Ausgestaltung privatwirtschaftlich angebotener Gottesdiensträume, wie es die Trauerräume in Bestattungsinstituten sein sollen, in aller Regel nicht gefragt.2 So erklärt sich, wenn trotz aller aufwendigen Bemühung eines Bestatters und allen durchaus wohlmeinenden Einsatzes, den ich nicht bestreiten will, das Ergebnis als eines christlichen Gottes­dienstraumes unzulänglich, ja unwürdig ausfällt (wobei der Bestatter den Anspruch des Christlichen wahrscheinlich, der Fexibilität halber und den Kundenwünschen entsprechend, gar nicht verfolgen wird): Gesangbücher werden nicht gebraucht, eine teure Orgel wird ebenfalls eingespart, bei Bedarf können, je nach Zufall des gerade Möglichen, elektronische oder auch nostalgische Ersatzinstrumente beschafft werden, die Musikberieselung bleibt hinsichtlich Komponisten und Titelauswahl ganz dem Geschmack des Hausherrn und seiner zahlenden Kundschaft überlassen, erst recht die bauliche Gestaltung wie etwa die Symbolik in Fenstern oder an der Stirnseite des Raumes (Pult, Tisch, Paramente u.dgl.). Während Kirchengemeinden eine dem Gottesdienst als der Mitte ihres weit gefächerten Auftrags förderliche Zusammenarbeit (mit Kirchenmusikern, mit Küstern, mit Chorleitern wie Organisten) nicht nur willkommen ist, sondern sinnvoll, ja unumgänglich erscheint, während ihnen Empfehlungen und Vorgaben aus kompetenten Gremien in Gemeinden, Ausschüssen in Synoden oder auch speziell beauftragter liturgischer Experten der Landeskirche auferlegt werden, während sie baulich wie inventarmäßig bei Errichtung gottesdienstlicher Stätten den Kriterien und Vorschriften seitens sachkundiger Bauausschüsse, landeskirchlicher Bauämter und Architekten, der Denkmalbehörde und kirchenaufsichtlicher Instanzen zu genügen haben – gestalten Bestattungsunternehmer ihre »Trauerräume« nach Gutdünken und geschäftlichem Kalkül. Der erfreulicherweise für sie kostenlos mitwirkende Pastor wird, wenn es denn »kirchlich« sein soll, als kritikloser, sich mit allem abfindender Zeremonienmeister hinzubestellt, um dem Rubel zum Rollen zu verhelfen. Glocken (wie im Kirchturm) stören nur die gute Nachbarschaft in der Wohnsiedlung. Parkplätze (wie für hundert PKW an der Friedhofskapelle) stehen lediglich für sechs oder acht Autos, entsprechend den 30 Sitzplätzen im »Trauerraum«, bereit, mehr waren zur Erlangung der Baugenehmigung nicht erforderlich. Gemessen an praktischen Erfordernissen, vor allem aber am gottesdienstlichen Anspruch ist manches unzureichend und vieles peinlich, ist manches ärgerlich und vieles ein Behelf, zeugt manches von gutem Willen zu würdevollem Abschiednehmen und vieles von kirchlich-liturgischer Inkompetenz.

Alles Unbehagen, aller Mißmut führt letztlich zu der grundsätzlichen Frage: wer »veranstaltet« eigentlich eine Kirchliche Amtshandlung? »Herr Pastor, wir haben einen Trauerfall« – solche Mitteilung eines Bestatters meint heutzutage nicht ein »partnerschaftliches« Zusammenwirken von ihm und mir anläßlich des Todes eines Gemeindegliedes: das »Wir« meint seine Firma, eben das Bestattungsinstitut, das diesen »Fall« (in Händen) »hat«! Der mir so vertraute und eingangs erwähnte Standardsatz »Ich habe Arbeit für Sie« stellt bereits alle Weichen, indem er die Rollenverteilung (unbewußt, aber doch bezeichnend) zum Ausdruck bringt: der Dienst des Pastors ist eine Funktion, ein kleiner Baustein im mittlerweile ebenso eindrucksvoll wie systematisch ausgebauten Katalog der umfassenden Dienstleistungsangebote eines Bestattungsunternehmens: der Verkauf von Särgen, Decken, Kissen und Bekleidung, die Einbettung und Überführung, die Erledigung sämtlicher Formalitäten mit Behörden und Versicherungen, die Vorhaltung aller Dekoelemente wie Leuchter und Zierbäume, die Besorgung von Traueranzeigen und Trauerbriefen und vielem mehr betrachtet der Bestatter in gleicher Weise als sein »Geschäft« wie die Organisation der Trauerfeier einschließlich Bereitstellung eines »Abschiedsraumes«, in dem er (!) diese »anbietet«. Doch privat errichtete »Geschäftsräume«, die als »Trauerräume« de facto kommerziell bewirtschaftet werden, also in Konzept, Kalkulation und Leistungsangebot einer Bestattungsfirma eingebunden sind, sind in keiner Weise kirchlich anerkannte Gottesdienststätten, die mit Selbstverständlichkeit und Regelmäßigkeit gottesdienstlich zu bedienen wären, noch dazu mit der Durchführung Kirchlicher Amtshandlungen.

Vergleiche mit Beispielen aus dem pfarramtlichen Alltag wie auch mit fiktiven Konstellationen lassen die Maßstäbe für Möglichkeiten und Grenzen kirchlicher Ver­kündigungsdienste und Amtshandlungen deutlich werden. Eine Andacht in einer Privatwohnung, etwa anläßlich eines Geburtstages oder Ehejubiläums, stellt als pastorales verkündigendes Wirken innerhalb privater Räumlichkeit weder einen öffentlichen Gottesdienst noch eine Kirchliche Amtshandlung dar, ist vor allem weder mit dem Aspekt der räumlichen Zweckbestimmung noch dem der Regelmäßigkeit, erst recht nicht dem eines privatwirtschaftlichen Auftrags und Interesses verknüpft. Ein Gottesdienst unter freiem Himmel, auf einer Wiese oder Waldlichtung, ist üblicherweise von der Beschlußfassung der einladenden Ortsgemeinde, also des Kirchenvorstands/Presbyteriums, getragen; er ist keinesfalls eine Privatveranstaltung des Landwirts, der zur Durchführung dieses Gottesdienstes sein Freigelände zur Verfügung stellt. Ein Gottesdienst, der vielleicht mancherorts etwa in ein Volksfest, ein Schützenfest oder auch in das Jubiläumsprogramm einer (kirchlichen/kommunalen) Einrichtung eingebunden ist, findet zwar ebenfalls nicht in offiziellen Kirchengebäuden/Gottesdienststätten statt (allenfalls in mancherlei sonstigen »kirchlichen Gebäuden«); zweifellos stellt er jedoch keine Kirchliche Amtshandlung (Taufe/Trauung/Bestattung/Konfirmation) dar, hat singulären Charakter und ist wiederum von keinem privaten Dienstleister kommerziell vereinnahmt. Die Parallele zur Trauerfeier als Kirchlicher Amtshandlung im »Abschiedsraum« eines Bestattungsunternehmens wäre darin zu sehen, daß sozusagen auf der »Speisekarte« eines Hotels Traugottesdienste angeboten würden, wohlgemerkt: in hoteleigenen Räumlichkeiten; daß der Gastwirt, der einer Taufgesellschaft das gemeinsame Taufessen ausrichtet, einen eigens zur Durchführung von Taufgottesdiensten eingerichteten »Kapellenraum«, womöglich im historischen Gewölbekeller, bereithält; daß eine Cateringfirma, die anläßlich des Konfirmationsjubiläums die Goldkonfirmandengruppe mit Imbiß oder Festessen beliefert, zugleich einen Saal anbietet, in dem ein dazu bestellter Pfarrer den festlichen Gottesdienst zelebriert; daß eine Reederei als »letzten Kick« ihren herrlich luxuriösen Ausflugsdampfer zur Durchführung stimmungsvoller Konfirmationsgottesdienste umrüstet – den Konfis gefiele es vielleicht…

Christliche Trauerfeiern, so stellen immerhin die Kirchenordnungen es fest, sind Kirchliche Amtshandlungen und als solche öffentliche Gottesdienste.3 Auf der Basis des Kirchlichen Verkündigungsauftrages ist »die Kirche« (i.d.R. die örtliche Kirchengemeinde in Person des amtierenden Pfarrers) der zum Gottesdienst bzw. zur Amtshandlung einladende »Veranstalter«. Die Pfarrerin/der Pfarrer leitet den Gottesdienst und ist dabei nicht allein für den Inhalt, sondern auch für die äußere (würdige, gottesdienstlich angemessene) Form verantwortlich.4 Diese alleinige Verantwortung sollte sie/er sich nicht aus der Hand nehmen lassen, erst recht und kompromißlos nicht von einem im Umfeld des Gottesdienstes handelnden Privatunternehmer, so hilfsbereit und freundlich das Angebot dazu auch bereitgestellt wird. Kirchliche Amtshandlungen, in der Regel eingebunden in öffentliche Gemeindegottesdienste (Taufen) oder sonst eigenständige öffentliche Gemeindegottesdienste (Trauungen, Trauerfeiern, Taufgottesdienste), haben ihren vornehmlichen, üblichen, herkömmlichen und selbstverständlichen Ort in kirchlichen Gottesdienststätten. Als alleinige Alternativen, die Ausnahmecharakter tragen müssen und eines jeweiligen Kirchenvorstands-Beschlusses bedürfen,5 sind Haustrauungen bzw. Haustaufen (bzw. Nottaufen in Krankenhäusern u.dgl.6) innerhalb des geordneten Kirchlichen Lebens, d.h. von Kirchenordnungen anerkannt und den Kirchengemeinden bzw. Amtsträgern zugestanden. Bezeichnenderweise ist sogar ausdrücklich darauf zu achten, daß eine Kirchliche Amtshandlung (z. B. ein Traugottesdienst) keine »… das Ansehen der Amtshandlung berührende, womöglich verletzende« Nähe zu staatlichen/behördlichen Orten und Vollzügen (z. B. dem Standesamt) noch zu Orten kommerziellen Geschehens (Tanzsaal, Hochzeitsfeier) aufweist.7 Die Zeit scheint gekommen, diesen jahrhundertelang selbstverständlichen, für Trauungen und Taufen immerhin schon formulierten Sachverhalt nun auch hinsichtlich Beerdigungsgottesdiensten in die Kirchenordnungen aufzunehmen.

Kirchliche wie kommunale Gebührenordnungen für die Durchführung von Trauerfeiern in Kirchen und Kapellen spielen Bestattern freilich die werbewirksamen Argumente, das Raumangebot des Bestattungsinstitutes zu nutzen, in die Hände. Selbst wenn sich Gebührensätze nicht (wegen tatsächlicher Kosten), nicht sofort (etwa wegen kirchenaufsichtlicher Beschlüsse und Genehmigungen bzw. Beschlußfassungen in Friedhofsausschüssen und Kommunalparlamenten) oder auch nicht »konkurrenzfähig« anpassen, d.h. zurückführen lassen: die kirchenrechtliche Problematik, der pfarramtliche Anspruch auf die inhaltliche wie äußere Gestaltung der Amtshandlung sowie die liturgische Sensibilität müssen vom kirchlichen Selbstverständnis her schwerer wiegen als allein finanzielle Fragen. Von Privatfirmen errichtete und gestaltete Räume für Trauerfeiern mögen durchaus (für nicht von Kirchengemeinden ausgerichtete Trauerfeiern) ihren Bedarf, Zweck und Sinn erfüllen; zur Durchführung/Veranstaltung Kirchlicher Amtshandlungen/Gottesdienste, zu denen Pfarrer-/innen sich bequem bestellen lassen, fehlt Bestattungsinstituten hingegen jegliche Befugnis. Das Profil der Kirche steht hier auf dem Prüfstand – und dazu ist Mut vonnöten.

 

 

Anmerkungen:

 

1    Martin Dutzmann: Veränderungen in der Trauerkultur als Herausforderung an die Kirche, Dt. Pfarrerblatt Nr. 10/2005, S. 513-517

2    Ich beschränke mich auf das Gemeindepfarramt deshalb, weil ihm (im Unterschied zu Kreispfarrstellen bzw. solchen in funktionalen Diensten oder kirchlichen Einrichtungen, deren Inhaber freilich ebenso gerufen sein können, die Kirchliche Amtshandlung der Bestattung durchzuführen) i.d.R. konkrete Kirchengebäude und Kapellen als Gottesdiensträume zugeordnet sind.

3    KO der EKvW Art. 213

4    ebd. Art. 214

5    ebd. Art. 211.1. (hinsichtlich Haustrauungen), Art. 179.2. (hinsichtlich Haustaufen)

6    ebd. Art. 179.3.

7    ebd. Art. 209/211

 

Über die Autorin / den Autor:

U. R., geb. 1955, verh., 3 Kinder, Studium d. Ev. Theol. in Münster und Bethel, seit 20 Jahren Gemeindepfarrer in Hiddenhausen, Kirchenkreis Herford (EKvW), zahlreiche Aufsätze und Buchveröffentlichungen zu Themen der westfälischen Kirchengemeinde.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 12/2006

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