Obwohl sicherlich schon seit Jahren der 9. April jeden Jahres als Gedenktag für Dietrich Bonhoeffer begangen wird, war der 100. Geburtstag am 4. Februar 2006 ein besonderer Anlass zur Erinnerung an diesen evangelischen Pfarrer, der von den Nationalsozialisten hingerichtet worden ist. Die Evan-

gelische Kirche in Deutschland hat ihm eine besondere Internetseite gewidmet. Die Domain www.dietrichbonhoeffer.de ist verlinkt mit einer Seite der Internetpräsenz der EKD, die beim Anklicken öffnet. Die Unterthemen dieser Seite sind: Aktuelles, Veranstaltungen, Biografie, Theologie, Buchtipps, Filme, Texte und Links. Auf der Übersichtsseite selbst lässt sich eine kleine SAT1 Fernsehandacht runterladen, sowie die aktuellen Texte 83 der EKD, die Reden und Aufsätze der Bonhoeffer Ehrungen am 3.–5. Februar in Wroclaw/Breslau, Berlin und London. Diese Texte werden auch kostenfrei zugesandt. Bischof Wolfgang Huber stellt dort gleich im ersten Artikel fest, dass »Dietrich Bonhoeffer – ein evangelischer Heiliger« ist. Die Bischöfin von Hannover Margot Käßmann greift dies in ihrem in englischer Sprache in London gehaltenen Vortrag ebenfalls auf: »Who was this man? Many see him as a saint of the protestant church. In the churches of the reformation we say that a saint is simply a person who is aware that he or she lives on the basis of trust in God. If we define in this way, I would say, yes, Bonhoeffer wa a saint. He tried in extremely difficult times to live in faith.«1 Im Schlusssatz seiner Rede in Wroclaw/Breslau dankt Bischof Huber ausdrücklich für diesen »evangelischen Heiligen«, stellt aber ausdrücklich fest, dass er deshalb heilig ist, weil er seinen Glauben im diesseitigen Leben bewährte, mit den Worten Bonhoeffers selbst: »Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern das Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben.«2

Auf meiner Suche nach Bonhoeffer fand ich, zum Teil auch durch die Verweise der EKD – Seite einige interessante Beispiele für die Würdigung Dietrich Bonhoeffers als einem herausragenden Christen des 20. Jahrhunderts. Aber worin besteht in der Darstellung dieser Präsentationen, Internetseiten und Filme die Heiligkeit Bonhoeffers? Kann man ihn zu Recht einen Heiligen nennen? Dieser Frage möchte ich in der folgenden Rezension ein wenig nachgehen, mich aber dabei auf die mediale Präsenz Bonhoeffers konzentrieren.3 Die EKD Seite weist auf die drei aktuellen Filme zu Dietrich Bonhoeffer hin (http://www.ekd.de/bonhoeffer/filme.html). Den 90-minütigen Dokumentarfilm von Martin Doblmeier, den Spielfilm von Eric Till »Die letzte Stufe« und den Kurzfilm »Wer glaubt, der flieht nicht« Dietrich Bonhoeffer 1906 – 1945, der im Auftrag der deutschen Sektion der Dietrich Bonhoeffer – Gesellschaft entstanden ist. Bevor ich auf diese Filme eingehe, möchte ich noch kurz auf einige Seiten hinweisen, die mir aufgefallen sind. Interessant ist der Link: handschriften.staatsbibliothek-berlin.de/bonhoeffer. Fast im Stil der alten Ton-Dia-serien zeigt die Präsentation 36 stehende Bilder über Dietrich Bonhoeffer aus dem Bestand der Staatsbibliothek Berlin. Wie in diesem Zusammenhang berichtet wird, besitzt sie die meisten Handschriften Bonhoeffers, vermutlich aus dem Nachlass Eberhard Bethges. Die Präsentation wurde von der Firma »3-point concepts« erstellt und auf deren Homepage folgendermaßen vorgestellt: »Anlässlich des 100. Geburtstages von Dietrich Bonhoeffer am 4. Februar 2006 hat 3-point concepts in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin eine achtminütige Foto-Ton-Dokumentation über sein Leben für das Internet produziert. Dietrich Bonhoeffer war einer der großen Theologen seiner Zeit und engagierte sich im Widerstand gegen die Nazi-Diktatur. Am 9. April 1945 wurde Bonhoeffer im KZ Flossenbürg hingerichtet. Die Dokumentation begleitet eine zweitägige Ausstellung der Staatsbibliothek zu Berlin. … 3-point entwickelte das Format für die Foto-Ton-Dokumentation und programmierte sie in Flash. Die Dokumentation öffnet sich in einem eigenen Medienfenster. Sämtliche Fotografien und Dokumente stammen aus dem Nachlass (Bonhoeffers). Den Text trugen Jutta Weber und Dorothea Barfknecht von der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek, Referat Nachlässe und Autografen, bei. 3-point concepts übernahm die Online-Redaktion und sprach die Texte ein. Der Schauspieler Axel Binder lieh seine Stimme Dietrich Bonhoeffer.«4 Die Präsentation verknüpft Originalfotos und Zitate der Autographen Bonhoeffers miteinander, bietet also ein klares und authentisches Bild seiner Person. Sie ist biografisch orientiert. Bonhoeffer ist danach schon früh radikal, bezeichnet in einem Rundfunkvortrag im Jahr 1933 Hitler als Verführer, tritt für verfolgte Juden ein, zieht aus Enttäuschung über die regimefreundliche Haltung der evangelische Kirche nach England und hat schon 1934 in der Konferenz auf Fanö pazifistische Thesen vertreten. Die Rückkehr nach Deutschland von einer USA Reise führt ihn 1939 in den Widerstand. Obwohl er im Gefängnis landet, bereut er diese Rückkehr nicht. Bei seiner Hinrichtung wirkt er ruhig und gefasst, ja spricht auf dem Weg zum Galgen noch ein kurzes Gebet. Mich persönlich hat diese Präsentation beeindruckt, wenn auch die Beobachtung der Handschriften zu den dargebotenen Zitaten nicht immer gelungen ist. Vielleicht wäre es an diesen Stellen besser, wenn man das Material in eine Power-Point Präsentation umwandeln könnte, um dann selbst zu bestimmen, wann der Bildwechsel erfolgt.

Warum könnte Bonhoeffers in der Darstellung dieser Präsentation ein »Heiliger« genannt werden, wenn auch dieses Wort hier nicht vorkommt? Er ist Pfarrer und Theologe, wendet sich aber den Armen zu und argumentiert als Pazifist. Er sucht die Konfrontation mit den Naziregime, unterstützt den politischen Widerstand. Er stirbt den gewaltsamen Tod einer moralisch völlig unverdienten Hinrichtung. Das Martyrium Bonhoeffers lässt ihn, der sich auch sonst sehr deutlich an Jesus orientiert, als Heiligen erscheinen. Auf die Darstellung seiner Hinrichtung wird auch hinsichtlich der weiteren Medienbeispiele zu achten sein.

Eine interessante Seite ist der Unesco Bildungsserver www.dadalos-d.org, der Material zu Dietrich Bonhoeffer unter der Abteilung »Vorbilder« präsentiert. Diese Seite ist zweifellos informativ und enthält die Abschnitte: Leben und Werk, Hintergrund, Zitate, Materialien und eine Linkliste. Das dargebotene Material enthält allerdings weder Bilder noch Videos, sondern ausschließlich textgebundene Informationen. Die dortige Linkliste ist fehlerhaft und verweist auf nicht mehr vorhandene Internetseiten. Die Würdigung Bonhoeffers ist international orientiert. Ob er ein Heiliger war, geht aus dieser Seite nicht hervor. Treffend ist allerdings seine wegweisende Theologie beschrieben, die sich vor allem an gelebter Praxis orientiert, wozu sein Lebenszeugnis ein wichtiger Beleg ist: »So besteht für Bonhoeffer das Wesen des Christentums nicht in einer Anerkennung Gottes, nicht einem Glauben an ihn als den Schöpfer der Welt, sondern in der Realisierung christlicher Ethik im menschlichen Verhalten.«5

Interessant ist auch die Seite des Evangelischen Studentenwohnheims Linz, zugleich mit Verweis auf die Arbeit der dortigen Evangelisch Hochschulgemeinde: www.esh.jku.at/bonhoeffer. Dort wird neben einigen Informationen eine Wanderausstellung angeboten, die von Linz aus ausgeliehen wird. Die Ausstellung will bewusst den »ganzen« Bonhoeffer dokumentieren und keine Fassetten seines Lebens gegen andere ausspielen. Auf der letzen Tafel wird als Fazit ein Abschnitt aus dem Buch »Widerstand und Ergebung« zum Thema fragmentarisches Leben angeführt. »Es kommt wohl nur darauf an, ob man dem Fragment unseres Lebens noch ansieht, wie das Ganze eigentlich angelegt und gedacht war und aus welchem Material es besteht. Es gibt schließlich Fragmente, die nur noch auf den Kehrichthaufen gehören, und solche, die bedeutsam sind auf Jahrhunderte hinaus, weil ihre Vollendung nur eine göttliche Sache sein kann, also Fragmente, die Fragmente sein müssen – ich denke z. B. an die Kunst der Fuge. Wenn unser Leben auch nur ein entferntester Abglanz eines solchen Fragmentes ist, in dem wenigstens eine kurze Zeit lang die sich immer häufenden, verschiedenen Themata zusammenstimmen, und in dem der große Kontrapunkt vom Anfang bis zum Ende durchgehalten wird, so dass schließlich nach dem Abbruch höchstens noch der Choral ›Vor deinen Thron tret ich allhier‹ – intoniert werden kann, dann wollen wir uns auch über unser fragmentarisches Leben nicht beklagen, sondern sogar daran froh werden.«6 Von Heiligkeit in einem besonderen Sinn kann also keine Rede sein. Diese Meinung erscheint interessanterweise immer besonders dann, wenn man Bonhoeffer selbst zu Rate zieht.

Der Vorsitzende der internationalen Bonhoeffer Gesellschaft, Professor Christian Gremmels (IBG), geht auf die Frage ein, ob Bonhoeffer ein Heiliger genannt werden kann. Sicherlich ist ihm recht zu geben, wenn er sagt: »Bonhoeffers Präsenz ist unübersehbar.«7 Da Dietrich Bonhoeffer selbst nicht sehr gern von Heiligkeit spricht, ehe davon, den Glauben zu suchen und das Rechte zu tun, entscheidet sich Gremmels, wie auch die Unesco für den Begriff des Vorbilds. Menschen, besonders Schülerinnen und Schüler brauchen »Vorbilder als Bilder gegen die Resignation des misslingenden Lebens.«8

Und so komme ich nun zurück zur Bonhoefferhomepage der EKD und den dort empfohlenen Filmen.

Der Spielfilm »Die letzte Stufe« aus dem Jahr 1999 ist der älteste der dort genannten Filme. Aus aktueller Sicht beachte man, dass dieser Film der Vorläufer zum »Luther« Film ist. Aufgefallen ist mir die stark im Vordergrund stehende Liebesgeschichte Bonhoeffers mit Maria von Wedemeyer. Kaum ein anderes Motiv ist wohl so gut geeignet, um Gefühle gegenüber einer Person zu transportieren, wie die Sichtweise von Liebenden. Doch trotz der Verlobung erscheint mir Dietrich hierbei ein wenig distanziert, fast als hätte er das Versprechen nur deshalb ausgesprochen, weil er die junge Frau nach dem Verlust ihres Vaters und ihres Bruders nicht enttäuschen wollte. Sie ist dagegen erstaunlich stark. Unklar war mir persönlich im zweiten Teil des Films die Rolle des Anklägers »Dr. Roeder«. Ob dieser hier die dramaturgische Figur des Gegenspielers innehat, wäre zu prüfen. Im KZ Flossenbürg (fiktiv) provozierte er Bonhoeffer zur Aussage: »Das hier ist nicht das Ende.« Diese filmische Darstellung ist fiktiv und steht im Gegensatz zur sonst eher religiösen Gestalt dieser letzten Worte »Das ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens.«9 Im Film müsste man die letzten Worte Bonhoeffers politisch deuten: »Wenn eure Zeit zu Ende ist, dann wird die Saat des Widerstands aufgehen, auch wenn ihr uns alle umbringt.« Dass ein solcher Film in weiten Teilen fiktiv und Erzählung sein muss ist mir persönlich nicht so wichtig. Wenn Dietrich Bonhoeffer als Heiliger erscheint, dann aufgrund seiner ausdrucksvollen Diesseitigkeit. Wenn er dem Ankläger gegenüber schweigt spürt man, dass er lieber offen und klar geredet hätte, aber nun schweigen muss, um die anderen Widerständler nicht zu gefährden. Theologische Aussagen und Formulierungen sind recht selten, bis auf das sehr gut inszenierte Morgengebet im Gefängnis. Die Spiritualität Bonhoeffers bleibt trotzdem unauffällig. Es gibt keine Szene, die ihn einfach nur im stillen Gebet zeigt. Mir persönlich kommt auch die schriftstellerische Tätigkeit Bonhoeffers zu kurz. Vom Umfang der Texte her, die er hinterlassen hat, hat er doch sicherlich pausenlos geschrieben. Dem informativen Teil des Films spüre ich eigentlich die Heiligkeit Bonhoeffers nicht ab, was dann aber doch durch die schauspielerische Leistung von Ulrich Tukur erreicht wird. Als er nackt zum Galgen emporsteigt, muss sich von selbst die Assoziation der Kreuzigung Jesu einstellen. Das heißt: Er ist ein Heiliger indem er wie Jesus bis zur letzten Konsequenz für den eigenen Glauben und die eigene Lebensentscheidung einsteht. Der Film »Die letzte Stufe« stellt uns Dietrich Bonhoeffer als einen ausdrücklich menschlichen Heiligen vor Augen.10

Die erzählerische Freiheit des Spielfilms »Die letzte Stufe« hat bei geschichtsbewussten Theologen sicherlich auch das Bedürfnis nach einem dokumentarischen Medium für den Unterricht hervorgerufen. Der neuste Film ist im Auftrag der Internationalen Bonhoeffer Gesellschaft entstanden. Er ist ein Kurzfilm, nur 23 Minuten lang: »Wer glaubt, der flieht nicht …«. Auf der Homepage dieses Films www.bonhoeffer-film.de findet man zusätzlich zu den wichtigsten Informationen den gesamten Filmtext, Erläuterungen zum Filmdesign und ausführliches Material für den Religions- und Geschichts-

unterricht. Für mich, der ich die Präsentation der Staatsbibliothek zuvor gesehen habe, erschien mir die Verwandtschaft damit interessant. Dies liegt sicherlich daran, dass der Film ähnliche Ton- und Bilddokumente enthält und selbst ständig zwischen stehenden Bildern und Filmsequenzen wechselt, Auszüge aus Originalfilmen der Zeit des Nationalsozialismus, z. B. aus der Wochenschau. Mir ist sehr eindrücklich die Darstellung des Flugzeugs in Erinnerung geblieben, in dem Hitler unter einem Vorwand an die Ostfront geflogen worden ist, um darin auf dem Rückweg Opfer eines Bombenanschlags zu werden. Doch die Bombe explodierte nicht. Der Anschlag blieb aber auch unentdeckt. Der Film untermauert die Mitwisserschaft Bonhoeffers an den Anschlägen auf Hitler, die auch der Film »Die letzte Stufe« eindrücklich dokumentiert. Um zur Weiterarbeit zu animieren, kann dem Film eine zusätzliche Untertitelspur zugeschaltet werden. Indem er den Weg Bonhoeffers in den Widerstand darstellt hat dieser Film durchaus eine gewisse ergänzende und dokumentierende Nähe zum Spielfilm »Die letzte Stufe«. Es ist denkbar etwa in der unterrichtlichen Arbeit beide Filme zu kombinieren, da dieser Film in aller Kürze einen guten informativen Einstieg bietet.

Der dritte Film, auf den die Homepage der EKD hinweist, ist der Film »Dietrich Bonhoeffer«, USA 2003, Dokumentarfilm von Martin Doblmeier. Im Internet findet sich unter www.bonhoeffer.com die Seite, die den zuerst in englischer Sprache gedrehten Film vorstellt. Zusätzlich zu dokumentarischem Material enthält dieser Film Interviews mit Zeitgenossen Bonhoeffers, wie z. B. das letzte Interview mit Eberhard Bethge, dem Bonhoeffer Biograph. Martin Doblmeier schreibt: »Bonhoeffer is one of the great examples of moral courage in the face of conflict, I believe part of the reason the film is getting attention now is because many of the issues Bonhoeffer faced – the role of the church in the modern world, national loyalty and personal conscience, what the call to being a »peacemaker« really means – are issues we continue to struggle with today.«11 Sowohl in der englischsprachigen als auch in der deutschen Ausgabe des Films gibt der Schauspieler Klaus Maria Brandauer Dietrich Bonhoeffer seine Stimme. Auf der Internet-Seite der EKD lassen sich vier Videos als Ausschnitt des Dokumentarfilms betrachten, sodass sie neugierig macht. Schon von diesen Texten und Beispielen her ist der Film für den Unterricht gut geeignet. Der Text des Filmes ist sprachlich recht anspruchsvoll, wird aber Bonhoeffer insofern gerecht, dass er aus seinen theologischen Schriften zitiert. Die Vielzahl der Interviews gleicht das harte Brot der Textwiedergabe auf, zumal der Text durch Brandauer wirklich lebendig und authentisch wiedergegeben wird. Die Sequenzen wechseln doch recht schnell, so dass weder Kommentar, noch Interview oder Lesung an einer Stelle ermüden. Der Film ist insgesamt auch ein gutes Dokument für die Zeit des Nationalsozialismus selbst. Eine ausdrückliche Antwort auf die Frage, ob Dietrich Bonhoeffer ein evangelischer Heiliger ist, wird in diesem Film nicht gegeben. Wenn allerdings sein Freund Eberhard Bethge mit einem Zitat aus dem »Widerstand und Ergebung« deutlich macht, dass Dietrich Bonhoeffer in der konkreten Diesseitigkeit zu einem vollkommenen Glauben gefunden hat, dann komme ich meiner Frage schon näher. Deutlich wird dass dieser Glaube Dietrich Bonhoeffer zugleich das Leitprinzip seiner Ethik ist: der Wille Gottes kann kein einmalig Gesetzes Prinzip sein, sondern ist immer neu zu aktualisieren. Bonhoeffers internationale Freundschaften seiner amerikanischen und englischen Zeit lassen ihn zu einem Menschen werden, der sich in »der Judenfrage« eindeutig vor die Juden stellt und der angesichts der drohenden Kriegsgefahr zum Pazifisten wird, zumal sein älterer Bruder Walter nach nur 14 Tagen Kriegseinsatz im ersten Weltkrieg fiel. Er hat durch seine New Yorker Erfahrungen mit der schwarzen Gemeinde die Hetze gegen die Juden als Rassismus gesehen. Aufgefallen ist mir der Satz, dass sich die Kirche immer an den Opfern der Gesellschaft zu orientieren hat. Die Kirche als Leib Christi (Dissertation) orientiert sich so am Leiden Christi, das er später in den Texten von Widerstand und Erbebung das Leiden Gottes nennt. Der Gegenspieler Bonhoeffers in diesem Film ist Adolf Hitler selbst. Die Frage, warum er das Attentat vom 20. Juli 1944 überlebte um dann noch alle Mitglieder der Verschwörung ermorden zu können, muss als neue Frage Hiobs an Gott gestellt werden. Doch natürlich ist deren Ende auch in politischer Hinsicht ein Anfang gewesen und die Präsenz Bonhoeffers spricht eine deutliche Sprache. Sicherlich hat auch die Existenz dieser Widerstandsgruppen nach dem Krieg dafür gesorgt, dass Deutschland in der Weltgemeinschaft so schnell wieder akzeptiert wurde.

Die Frage, was ein »evangelischer Heiliger« auf dem Hintergrund der aktuellen Präsenz Bonhoeffers sein könnte, möchte ich mit zwei Hinweisen beantworten, dem eher religiösen Verständnis eines »Heiligen« und der profanen Rede von »Vorbildern«. Der eine Hinweis greift die theologische und religiöse Tradition auf, die sich in der katholischen Kirche zwar deutlicher wieder findet, doch im Protestantismus auch nicht geleugnet werden kann. Wolfgang Beinert gibt dieses Verständnis folgendermaßen wieder: »Als Heilige werden jene bereits verstorbenen Glieder der Kirche bezeichnet, die sich durch die heroische Verwirklichung der christlichen Liebe und der anderen christlichen Tugenden dem Ruf Gottes durch Christus im Heiligen Geist ganz geöffnet haben; diese Tatsache muss in irgendeiner Weise kirchlich anerkannt sein. Heiligenverehrung bedeutet dann, dass solche Personen als Leitbilder der christlichen Existenz betrachtet, von den anderen Gliedern der Kirche verehrt und um ihre Fürsprache angerufen werden können, ohne dass dadurch der Lobpreis der Heiligkeit Gottes und die einzigartige Mittlerschaft Jesu Christi beeinträchtigt werden.«12 Diese Definition trifft doch weitestgehend auf Dietrich Bonhoeffer zu. Der Widerstand gegen den Kriegstreiber und Massenmörder Hitler lässt sich als »heroische Tat der christlichen Liebe« deuten. Bonhoeffers Texte deuten seine Lebenspraxis und umgekehrt. So ist sein Glaube überzeugend auch und gerade dort, wo er sich in der diesseitigen Verantwortung erschöpft. Seiner Verweigerung von Flucht und Exil lassen ihn letztlich zum Märtyrer werden. Auch wenn er nicht direkt seines Glaubens wegen gestorben ist, so ist doch dieser sein Weg ohne seine Glaubenseinstellung undenkbar gewesen. In Abgrenzung zum katholischen Heiligenverständnis sollte man darauf hinweisen, dass zwar nicht seine himmlische Fürsprache, aber durchaus seine Person als Leitbild des Glaubens und seine Texte und Gebete Menschen heute Trost und Orientierung geben können.

Die zweite Möglichkeit, sich der Frage nach Bonhoeffers Heiligkeit zu nähern ist eher pragmatisch orientiert. Bonhoeffer ist ja nicht allein als »Heiliger« bekannt, sondern auch als Person des Widerstandes im Dritten Reich populär. Doch in welchem Verhältnis stehen das religiöse und das profane Verständnis zueinander? Schon Jürgen Habermas stellt fest: »Die Kehrseite der Religionsfreiheit ist tatsächlich eine Pazifizierung des weltanschaulichen Pluralismus, der ungleiche Folge-

lasten hatte. Bisher mutet ja der liberale Staat nur den Gläubigen unter seinen Bürgern zu, ihre Identität gleichsam in öffentliche und private Anteile aufzuspalten. Sie sind es, die ihre religiösen Überzeugungen in eine säkulare Sprache übersetzen müssen, bevor ihre Argumente Aussicht haben, die Zustimmung von Mehrheiten zu finden.«13 Stellt sich also die Frage nach der Bedeutung Bonhoeffers zunächst in nichtreligiöser Sprache, so lässt sich mit der Seite der Unesco der Begriff des Vorbilds finden. Dietrich Bonhoeffer ist ein Vorbild, weil er couragiert für seine Überzeugung einsteht, weil er Minderheiten akzeptiert, gegen Propaganda aufsteht, gegen den Krieg eintritt und trotzdem im Widerstand gegen den Diktator zum Letzen bereit ist. Bezogen auf die drei Filme möchte ich dies durch die folgendene Tabelle dokumentieren.

 

 

Thema                                        Spielfilm        Kurzfilm    Doku.-Film

Warnung vor dem Führer (Radio)                              x            x

Pazifismus, für den Frieden                                      x            x

Kirche (und Staat) vor Judenfrage            x                x           x

»bekennende« Kirche (ohne NS)              x                x            x

Rückkehr statt Exil                               x                x            x

Widerstand                                         x                x            x

Gebet für Mitgefangene                         x                              x

Glauben                                             x                x            x

Hinrichtung (ohne Angst)                       x                              x

 

 

Diese Tabelle macht deutlich, dass alle drei Filme Dietrich Bonhoeffer als Vorbild darstellen. Sie lassen sich profan oder religiös verwenden, also im Geschichts- oder im Religionsunterricht. Die Unesco – Seite sagt über ihre Vorbilder: »Sie alle haben gehandelt, haben Bedenken zurückgestellt, sich in Gefahr begeben, um der Ungerechtigkeit entgegenzuwirken.«14 Nun müssen wir versuchen, für den Begriff »Vorbild« ein angemessenes Wort der religiösen Sprache zu finden. Wenn ich diesen Gedankengang so vollziehe, dann muss ich selbst erstaunt zugeben, dass ich konsequenterweise Dietrich Bonhoeffer als Heiligen bezeichnen muss. Der Begriff des »Heiligen« ist einfach der einzige religiöse Begriff, der sinnvoll zum Begriff »Vorbild« passt. Im religiösen Verständnis weitet sich die Bewertung eines Menschen damit zwar noch aus, denn ein Heiliger ist mehr als ein Vorbild. Doch dies ist ja auch sachgemäß, wenn man nach einem aktuellen und sachgemäßen Glaubensvorbild fragt, nach einem Menschen, der den Glauben nicht nur sprachlich angemessen erklären kann, sondern ihn auch anschaulich und exemplarisch gelebt hat. Dietrich Bonhoeffer wollte selbst kein Heiliger sein, sondern den Glauben lernen. In der Herausforderung seiner Zeit und seiner Lebensumstände ist er genauso dadurch zum Heiligen geworden. Heilige sind, religiös gesprochen, Menschen, die wie Christus in die Gemeinde und den Glauben von Menschen hinein auferstanden sind. Dietrich Bonhoeffer ist auch in den aktuellen Medien aktuell sehr präsent und international bekannt. Bischof Huber hatte also recht, als er am Schluss seines Vortrags in Wroclaw/Breslau sagte: »Wir haben allen Grund, für das Leben und Wirken dieses evangelischen Heiligen zu danken, der vor hundert Jahren in Breslau geboren wurde.«15 Nur frage ich mich, welchen Erkenntnisfortschritt die Bezeichnung »evangelisch« hierbei bringen soll. Im Film von Doblmeier vergleich sich der anglikanische südafrikanische Bischof Tutu in seiner prophetischen Existenz mit Dietrich Bonhoeffer. Und was für diesen gilt, lässt sich sicher ebenso über den baptistischen Pfarrer Martin Luther King sagen, oder auf einige Märtyrer des dritten Reiches aus allen Konfessionen. Der Titel des Heiligen wird zwar in der katholischen Kirche innerhalb einer strengen Ordnung vergeben und verwendet. Das sollte uns nicht davon abhalten, ihn unbefangen zu verwenden und schlicht festzustellen: Dietrich Bonhoeffer ist ein Heiliger.

 

 

Anmerkungen:

 

1     Dietrich Bonhoeffer. Vorbild im Glauben. EKD Texte 83, 2006. S. 23

2     ebd. S. 11

3     Wenn man einen Suchdienst wie Google zu Rate zieht, fällt die Vielzahl der Einrichtungen z. B. von Schulen auf, die den Namen Dietrich Bonhoeffers tragen. Es wäre natürlich auch einmal interessant gewesen nachzusehen, ob es auch dort weitere Projekte anlässlich der Bonhoeffer-Jahretage gegeben hat.

4     3-point.de/presse/presse_lang.html. Übrigens findet sich unter den Referenzen dieser Medienproduktion auch eine Präsentation zu Martin Luther.

5     Verweis: Dmitrij M. Ugrinovich, Professor für dialektischen und historischen Materialismus, Moskau 1968. Zitiert nach Eberhard Bethge, Bonhoeffer, Reinbek bei Hamburg, 2000

6     www.esh.jku.at/bonhoeffer/frag.htm

7    … dann musst du dazwischenspringen. Dietrich Bonhoeffer 1906–2006. Arbeitsstelle Gottesdienst der EKD 02/2005. S. 63

8     a.a.o. S. 70 Die Broschüre der Arbeitsstelle Gottesdienst geht über den liturgischen Bereich weit hinaus. Im Blick auf RU und Schule ist eine Lehrbuchanalyse interessant: Christina Lange. Zwischen Elementarisierung und Idealisierung. Und die kritische Analyse des Films »Die letzte Stufe« von Hans Werner Dannowski. Das Dokumentarische und das Fiktive.

9     Eberhard Bethge. Dietrich Bonhoeffer. München 1970 (Sondeausgabe) S.1037. Da diese letzten Worte aus einem Gespräch mit den britischen Mithäftling Best überliefert werden, wird sie Bonhoeffer wahr­scheinlich in englisch gesprochen haben: This ist he end, form me the beginning of life.

10     Unter www.dvd-educativ.de findet sich ausführliches Unterrichtsmaterial zum Film sowie einige interessante Links.

11     www.bonhoeffer.com/thefilm.htm

12     Evangelisches Kirchenlexikon Band 2, 1989, Sp. 443

13     Jürgen Habermas. Glauben und Wissen. Frankfurt 2001. S. 21.

14     www.dadalos-d.org/deutsch/Vorbilder/Vorbilder/vorbilder.htm

15     ekd Texte 83 a.a.O. S. 12 

 

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 7/2006

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