Hans-Eberhard Dietrich setzt sich in der Januarnummer dieser Zeitschrift (S. 3ff.) erneut in forscher Polemik mit dem »Wartestand« im kirchlichen Dienstrecht auseinander. Aber er meint eigentlich gar nicht den Wartestand, der eine altüberkommene, an sich ganz unschuldige und meist dem Dienstnehmer entgegenkommende Regelung ist, sondern einen bestimmten Anwendungsfall dieser Regelung, nämlich die Entfernung eines Pfarrers (oder Beamten) gegen seinen Willen aus seiner Stelle oder sogar, sogleich oder nach Ablauf von einigen Jahren, aus der pastoralen Arbeit überhaupt mit der Begründung, dass ihm ein gedeihliches Wirken dort nicht mehr möglich sei. Hierüber kritisch nachzudenken besteht durchaus Anlass. Dietrichs Darlegungen bedürfen jedoch in mehreren Punkten der Korrektur.

1. Der Wartestand – kein Relikt aus der Nazizeit

Der Wartestand ist keine Hervorbringung der NS-Zeit. Vielmehr war er sowohl im staatlichen Beamtenrecht als auch im kircheneigenen Pfarrerdienstrecht lange vorher bereits enthalten, z.B. im Reichsbeamtengesetz vom 31.3.1873, § 24: »Jeder Reichsbeamte kann unter Bewilligung des gesetzlichen Wartegeldes zeitweilig in den Ruhestand versetzt werden, wenn das von ihm verwaltete Amt in Folge der Umbildung der Reichsbehörden aufhört«1.

Früher sprach man auch von der Quieszierung des Beamten, worunter man das Untätiglassen desselben unter Weiterzahlung der Bezüge verstand. Dann begegnen in der Rechtssprache die Begriffe Wartestand und einstweiliger Ruhestand mit weitgehend gleicher Bedeutung2. Von einer Abschaffung dieses Rechtsinstitutes im Recht der Bundesrepublik im Jahre 1953 kann man entgegen Dietrich (PfBl. 2005, Seite 4 linke Spalte) nicht sprechen, es änderte sich im Wesentlichen nur der Name3.

Im kirchlichen Recht war der Wartestand mindestens der Sache nach ebenfalls schon gebräuchlich. Im bayer. Kirchengesetz betr. das Verwaltungsverfahren gegen Geistliche vom 6.9.1927 (§ 4 Abs. 2 Nr. 3: »unter Gewährung von Wartegeld einstweilen in den Ruhestand«) und im ersten zusammenhängenden Pfarrergesetz in Deutschland, dem bayerischen von 19394, war er geregelt. Dass dieses Gesetz nicht aus nationalsozialistischem Geist, sondern eher von Barmen her kommt, habe ich andernorts aufzuzeigen versucht5.

Anlass für eine Versetzung in den Wartestand war ursprünglich vor allem der Wegfall von Behörden oder ganzen Körperschaften. Damit entfiel ja die Stelle, aus der der Beamte bezahlt wurde und allein bezahlt werden konnte. In diesem Falle kam der Wartestand dem Beamten entgegen, indem er ihm eine gesicherte Überbrückung der Zwischenzeit bis zur Findung einer neuen Aufgabe schuf. Der mit Arbeitsvertrag Beschäftigte hatte und hat auch heute in solchem Falle mit der betriebsbedingten Kündigung zu rechnen6.

Mit der Zeit kamen weitere Wartestandsgründe hinzu, im kirchlichen Bereich z.B. der Wartestand als Zwischenlösung für jemanden, der aus einem Auslands- oder Sondereinsatz oder aus einer familiären Beurlaubung vorzeitig zurückkehrt und für den die neue Verwendung erst gefunden werden muss. Im Zusammenhang mit Versetzungen ist der Wartestand im kirchlichen Recht überhaupt deshalb besonders schwer entbehrlich, weil nach dem Pfarrstellenbesetzungsrecht wegen der mehr oder weniger weit gebotenen Berücksichtigung des Willens der Gemeinden Versetzungen meist nicht so einfach durchzuführen sind wie beim Staat.

2. Der »politische Beamte« – auch keine Erfindung der Nazizeit

Im staatlichen Beamtenrecht war von Anfang an, lange vor 1937, der sog. politische Beamte ein Anwendungsfall für die Wartestandsversetzung. Politische Beamte können »jederzeit« in diesen Stand versetzt werden. Es sind die Träger von im Gesetz einzeln benannten exponierten Funktionen wie z.B. Staatssekretäre, Funktionsträger also, von denen nicht nur wie von jedem Beamten Loyalität gegenüber der Regierung, sondern darüber hinaus ein uneingeschränktes Engagement im Sinne der Regierungsziele erwartet werden muss7. Auch in der Demokratie darf der demokratisch ermittelte Mehrheitswille des Volkes nicht durch die den Verwaltungleuten wesensimmanente Beharrungstendenz (»Das haben wir schon immer so gemacht«) behindert sein8. So ist die Versetzung von (enumerativ aufgeführten) politischen Beamten in den Wartestand auch heute unangefochten geltendes Recht im Bund und in den meisten Bundesländern. Dieser Wartestand für politische Beamte war also durch § 44 des Reichsbeamtengesetzes vom 26.1.1937 (GBl. I. S. 39) auch keineswegs neu im deutschen Beamtenrecht eingeführt, sondern lediglich reichseinheitlich normiert worden. Er kann nicht als »Relikt aus der Nazizeit« abqualifiziert werden, wie D. das tut9.

3. Die Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens – Ursprung und Entwicklung

Dietrich meint nun, dass diese – wie er es sieht – nationalsozialistischem Geist entsprungene Wartestandsversetzung für politische Beamte in den 30er Jahren auf Betreiben des deutschchristlichen Kirchenregiments in der DEK in Gestalt der Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens – oder wie die Formulierungen waren10 – in den Landeskirchen eingeführt wurde11. Daran ist richtig, dass in der Tat, gleich nach 1933, vor allem seit 1937, landeskirchliche Rechtsnormen ergingen, die die Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens (o.ä.) von Pfarrern in den Wartestand ermöglichten12, und dass diesen Normen ein allerdings typisch deutschchristlicher Vorstoß der Deutschen Evangelischen Kirche von 1933 vorausgegangen war. Diese hatte – nach einem vorbereitenden Kirchengesetz vom 16.11.1933 (GBl. S. 33) – am 4.12.1933 das Vorläufige Kirchengesetz betr. die Rechtsverhältnisse der Geistlichen und Beamten der Landeskirchen (GBl. S. 35ff.) erlassen, in dem es in § 8 Abs. 1 hieß: »Ein … Geistlicher kann in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, wenn durch die Art seiner Amtsführung die Kirche schweren Schaden erleidet, eine Besserung der Verhältnisse nicht zu erhoffen ist und auch an anderer Stelle eine ersprießliche Wirksamkeit des Geistlichen zunächst nicht erwartet werden kann«13. Richtig ist weiter auch, dass diese Rechtssetzung in einem Zusammenhang zu sehen ist mit der Auseinanderssetzung um die Frage der Übernahme des Arierparagraphen in das kirchliche Recht14. So ist denn offenbar auch die Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens dazu benutzt worden, Pfarrer jüdischer Abstammung und sonst politisch unliebsame Amtsträger aus dem Amt zu bringen15. Aber es ist deshalb noch nicht gerechtfertigt, das Rechtsinstitut der Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens als nationalsozialistisches Unrecht und Verstoß gegen die Barmer Erklärung zu verurteilen.

4. Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens o.ä. – schon vor 1933

Dies geht schon deshalb nicht an, weil, wie Dietrich selbst an anderer Stelle darlegt16, auch die Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens der Sache nach schon vorher im kirchlichen Recht enthalten war. Dietrich zitiert das Württ. Pfarrbesetzungsgesetz v. 24.6.1920 (Abl. S. 209), nach dessen § 6 eine »unfreiwillige Pensionierung« für den Fall vorgesehen war, dass des Pfarrers »Stellung in der Gemeinde unhaltbar geworden ist und seine Versetzung auf ein anderes Amt unmöglich oder dem landeskirchlichen Interesse zuwider ist«. Auf das Bayer. Kirchenges. v. 1927 war bereits hingewiesen worden.

Ein Hannoversches Kirchengesetz vom 1.8.192917 bestimmte z.B. »Ist einem … Geistlichen die gedeihliche Fortführung des Pfarrdienstes in seiner Gemeinde nicht möglich, so kann ihm (nach Einholung eines Gutachtens vom Pfarrerausschuss) von dem zuständigen Superintendenten und Generalsuperintendenten sowie von dem Landeskirchenamt aufgegeben werden, sich um eine andere ihm gleichzeitig zu benennende, von dem Landeskirchenamt zu besetzende Pfarrstelle zu bewerben. … Weigert der Geistliche sich, der Aufforderung Folge zu leisten, so kann das Landeskirchenamt äußersten Falles gegen den Willen des Geistlichen seine Versetzung auf die ihm genannte Pfarrstelle verfügen«. Hier war also ein Wartestand nicht vorgesehen, sondern es musste eine Pfarrstelle zur Verfügung stehen, ggf. gestellt werden.

Das Preußisches Kirchengesetz über die Versetzung von Geistlichen vom 6.3. 193018 bestimmte in § 1: »Ein … festangestellter Geistlicher kann von seiner Stelle auf eine andere wider seinen Willen versetzt werden, wenn der Rechtsausschuss der Kirche durch Beschluss festgestellt hat, dass die Versetzung durch das Interesse der Kirche dringend geboten ist« (und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind). Auch hier war eine Versetzung in den Wartestand noch nicht vorgesehen19. Diese behutsame Regelung wurde vier Jahre später abgelöst durch zwei Verordnungen des Reichsbischofs und Landesbischofs der Ev. Kirche der altpreußischen Union Ludwig Müller vom 3.2.193420, von denen die zweite lapidar bestimmte: »Kirchliche Amsträger können bis auf weiteres durch den Landesbischof in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, wenn ... eine ersprießliche Wirksamkeit … an anderer Stelle fürs erste ... nicht erwartet werden kann.«

Wichtig ist zu sehen, diese landeskirchlichen Rechtssetzungsakte aus der Zeit vor 1933 sich auch als eine Umsetzung der Leitsätze der 31. Dt. Ev. Kirchenkonferenz von 1912 für die »zwangsweise Versetzung eines Geistlichen im Interesse des Dienstes« verstehen konnten21. Dort heißt es: »Die zwangsweise Versetzung des Geistlichen im Interesse des Dienstes kann nicht schon mit Rücksicht auf den Charakter des geistlichen Amtes als schlechthin ausgeschlossen angesehen werden. … Sie kann nur verfügt werden, wenn das kirchliche Interesse der Gemeinde … es dringend nötig macht …«

Nun bedürfte es einer umfangreichen Untersuchung der einzelnen kirchlichen Rechtssetzungsakte, ihrer Entstehungsgeschichte, Chronologie und Terminologie, ihrer Rechtsgültigkeit und faktischen Anwendung oder Nichtanwendung, um entscheiden zu können, ob die zitierten kirchlichen Normen aus den Jahren 1936 bis 1945 mehr von den überkommenen kirchlichen Rechtsnormen über die unfreiwillige Versetzung u.ä. herkommen oder mehr von dem deutschchristlichen Vorstoß der DEK von 1933 und der staatlichen Gesetzgebung der 30er Jahre. Diese Untersuchung kann im Rahmen dieses kleinen Beitrags nicht geleistet werden. Für die erstere Annahme spricht immerhin, dass die fraglichen landeskirchlichen Normen zum Teil in einer Zeit und in Kirchengebieten ergingen, in die der gewalttätige Arm der DEK und der Deutschen Christen gar nicht (mehr) hineinreichte.

Gegen die Annahme einer Vorbildfunktion der Versetzung politischer Beamter spricht auch, dass die kirchlichen Regelungen sich inhaltlich stark davon unterschieden. Pfarrer sind nicht leitende Funktionäre, und die Erwartung einer außerordentlichen politischen Identifikationsbereitschaft besteht ihnen gegenüber durchaus nicht. Gebunden sind sie an Schrift und Bekenntnis, nicht aber wie ihre katholischen Amtsbrüder zum Gehorsam gegenüber dem Bischof verpflichtet. Es ist und war seit je undenkbar, von einem Pfarrer zu erwarten, dass er sich die theologische oder kirchenpolitische Linie seines Bischofs (oder auch seiner Synodenmehrheit) flugs eifrig zu eigen macht; er ist in seiner geistlichen Amtsführung unabhängig. Diese Unabhängigkeit ist theologisch begründet und ein cantus firmus des lutherischen Pfarrerrechts22.

Aber, wie immer es sich nun mit der Genealogie der landeskirchlichen Normen aus dieser Zeit verhält, die Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens musste den Nazis zwar ein willkommenes Instrument sein, das sie gern auch noch verschärft haben, sie ist aber nicht als nationalsozialistisches oder deutschchristliches Unrecht zu bezeichnen. Vielmehr ist sie ein Stück überkommenen evangelischen Kirchenrechts23. Sie ist – als selten anzuwendende Notmaßnahme in Durchbrechung des elementaren Grundsatzes von der Unversetzbarkeit des Pfarrers – legitim und notwendig.

5. Diese Versetzungsmöglichkeit ist unverzichtbar

Das zeigte sich besonders in der Zeit nach 1945, als die Landeskirchen vor der Aufgabe standen, wenigstens den besonders exponierten deutschchristlich belasteten Amtsträgern ein Weiterwirken zu verwehren24. Es kann auch heute immer wieder geschehen, dass einzelne Pfarrer – wie manche von den Deutschen Christen – faktisch aufhören, im Sinne der wie auch immer verstandenen christlichen Botschaft zu arbeiten, und stattdessen entweder lustlos einen Minimaldienst verrichten oder eigene Lebensmodelle, Ideologien, ja Sektiererisches oder Fremdreligiöses mit Hilfe ihrer Amtsautorität propagieren, ohne dass ihnen dabei eine Amtspflichtverletzung oder Irrlehre nachgewiesen werden kann. Wenn beratende und aufsichtliche Bemühungen nichts nützen, muss eingeschritten werden. Dies wird in der Pfarrerschaft zumeist grundsätzlich auch so gesehen, vor allem wenn es sich um Abweichler aus dem entgegengesetzen Richtungslager handelt. So war es zwischen den Parteien des Kirchenkampfes, so ist es heute zwischen verschiedenen Grundrichtungen in der Pfarrerschaft.

Und abgesehen von Richtungsgegensätzen wird es bei Pfarrern immer das geben, was Mainusch in Aufnahme von Formulierungen aus der Rechtsprechung treffend beschreibt als »erhebliche Defizite in seiner (des Pfarrers) Kommunikationsfähigkeit, Defizite in der Wahrnehmungsfähigkeit, die einen Konfliktabbau erschweren, ... ein die Entstehung von Konflikten geradezu begünstigendes Verhaltensmuster«25. Dies reicht manchmal in die Nähe von psychischen Störungen, ohne dass Dienstunfähigkeit nachgewiesen werden kann. Da muss dann um der Gemeinden willen eine Veränderung herbeigeführt werden.

6. Versetzung auch in den Warte- oder gar Ruhestand?

Man könnte nun fragen, warum in solchen Fällen nicht stets eine Versetzung auf eine andere Stelle ausreiche, warum also die Versetzung u.U. in den Warte- oder gar den Ruhestand gehen müsse. Anfangs gab es in manchen Kirchengesetzen26 in der Tat nur die Versetzung auf eine andere Stelle. Und die in manchen Kirchen eingeführte sog. 10-Jahres-Versetzung wird ja auch in aller Regel so durchgeführt, dass der Pfarrer erst wechseln muss, wenn die neue Stelle bereit steht.27 Dazu ist zunächst zu sagen, dass wie ausgeführt die andere Stelle meist aus Gründen des Pfarrstellenbesetzungrechts nicht so schnell gefunden werden kann, wie der Wechsel erforderlich erscheint. Hier macht sich die von Dietrich mit echt beklagte faktische Diskrimierungswirkung dieser Versetzung leider bemerkbar. Die Kirchenvorstände sind heute misstrauisch, aufgrund eigener oder fremder schlechter Erfahrungen. Zum anderen wird man aber anerkennen müssen, dass es Fälle gibt, wo wirklich von vorn herein mit einem Scheitern auch in der neuen Gemeinde gerechnet werden muss.

7. Ausnahmecharakter und tendenzielle Vorläufigkeit dieser Versetzung

Wichtig ist nur zweierlei:

1. dass der – der ursprünglichen Intentention nach – vorübergehende Charakter des Wartestandes im Blick bleibt, d.h. dass der so aus seinem Amt gebrachte Pfarrer im Normalfall so bald wie möglich wieder verwendet wird, und

2. dass der in der Rechtsliteratur seit je betonte besondere Ausnahmecharakter dieser Versetzung gewahrt bleibt; es darf nicht unter der Hand der wichtige Grundsatz der Unversetzbarkeit des Gemeindepfarrers oder gar das Lebenszeitprinzip überspielt werden28.

Beides hängt zusammen mit der für öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse bei der Kirche wie beim Staat bestehenden Wesenseigentümlichkeit, dass sie in der Regel auf Lebenszeit, d.h. bis zum Ruhestand eingegangen werden. Vorher gibt es eine unfreiwillige Beendigung nur in den gesetzlich normierten Fällen wie bei entspr. Disziplinarurteil, Dienstunfähigkeit, Wegfall von Anstellungsvoraussetzungen und schwerer strafgerichtlicher Verurteilung. Mit dieser wohlbegründeten Rechtslage wäre es nicht vereinbar, wenn sich der durch den Mangel gedeihlichen Wirkens veranlasste Wartestand zu einer Hintertür aus dem Dienstverhältnis heraus entwickeln würde.

Dass es – ursprünglich – um eine vorübergehende Unterbringung geht, kam im Haushaltsrecht zum Ausdruck, wo bestimmt war, dass bei der Besetzung von Planstellen Wartestandsbeamte bevorzugt zu berücksichtigen sind29. Es wird weiter daran erkennbar, dass der Pfarrer im Wartestand wie auch früher der Beamte i.W.30 zunächst für einige Monate seine Besoldung unverändert weitererhält und diese erst danach maßvoll, i.d.R. geringer als beim (endgültigen) Ruhestand, abgesenkt ist31. Auch das Gebot, sich im Wartestand fortzubilden, weist in diese Richtung. Wenn der Gesetzgeber – beim Staat wie bei der Kirche – davon abgesehen hat, die baldige Unterbringung des Warteständlers in einer Stelle ausdrücklich anzuordnen, so vermutlich deshalb, weil man davon ausging, der Anstellungsträger werde schon aus eigenem fiskalischem Interesse darauf bedacht sein, den Wartestandsbeamten möglichst bald wieder in den Dienst zu nehmen. Deshalb finden sich auch umgekehrt Bestimmungen, die den Wartestandsbeamten verpflichten, eine passende Aufgabe, die ihm angetragen wird, zu übernehmen.

Im Hinblick auf dieses Interesse des Dienstherrn hatte die Bestimmung, dass der Wartestand nicht unbegrenzt andauern durfte, sondern nach einer festgesetzten Reihe von Jahren32 in den (endgültigen) Ruhestand überzugehen hatte, anfangs keine große Relevanz. Nur selten wird dies nicht in den drei oder fünf Jahren gelungen sein, etwa wenn für einen Präsidenten eines aufgelösten Regierungsbezirks keine andere Präsidentenstelle frei wurde. In neuerer Zeit hat aber die Fünf- bzw. Drei-Jahres-Begrenzung des Wartestandes allmählich eine neue Bedeutung gewonnen. Es könnte dahin kommen, dass die Kirchenleitung die Fünf- oder Drei-Jahres-Frist gern verstreichen sieht, um den Amtsträger endlich ganz los werden zu können. Dazu könnte sie verleitet werden durch die Bestimmung des § 102 PfG VELKD und des § 90 Abs. 1 PFDG (früher EKU), wonach dem Wartestandspfarrer gestattet werden kann, sich um eine freie Pfarrstelle zu bewerben. Es sollte im Regelfall doch selbstverständlich sein, dass er dies darf, und die Kirchenleitung sollte gehalten sein, ihn dabei zu unterstützen33.

8. Die Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens als Ende des aktiven Dienstes

Diese Entwicklung verdient Aufmerksamkeit. Im ganzen sind es – z.B. nach dem Pfarrergesetz der VELKD – drei Wege, auf denen eine Feststellung mangelnden gedeihlichen Wirkens aus dem aktiven Dienst hinausführen kann. Erstens kann es sich ohne Absicht der Kirchenleitung ergeben, dass ein nur für die Zeit des Suchens nach einer neuen Stelle in den Wartestand Versetzter aus diesen oder jenen Gründen nicht rechtzeitig vor Ablauf der 3-Jahresfrist eine solche findet, ohne dass dies in jemandes Absicht liegt (§ 88 Abs. 4). Zweitens kann die Kirchenleitung absichtlich einen Warteständler so lange amtlos lassen, bis diese Frist abgelaufen ist (ebenfalls nach § 88 Abs. 4). Und drittens kann der Warteständler auch sogleich in den Ruhestand versetzt werden (§ 87 Abs. 3 S. 2).

Ist das legitim? Das Beschreiten des zweiten Weges kann dann verständlich sein, wenn die Kirchenleitung Grund zu der Annahme hat, dass der Betreffende auch woanders nicht zurechtkommen werde, aber eine Versetzung in den Ruhestand nach § 87 Abs. 3 S. 2 noch nicht aussprechen mag oder nicht gerichtsfest zu begründen weiß. Aber es ist nicht im Sinne des Gesetzes. Es liefe hinaus auf eine Art (arbeitsrechtlich gesprochen: personenbedingte oder betriebsbedingte) Kündigung mit ungewöhnlich langer Kündigungsfrist. So gesehen wäre es ein Missbrauch dieses Versetzungsrechts. Es ist auch die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass eine Kirchenleitung in dem verständlichen Bemühen um ein einheitlich zeitgemäßes Image der kirchlichen Arbeit Pfarrer, die mit ihrer Verkündigung Anstoß erregen – etwa mit heftiger Kritik an politischen Entscheidungen, utopisch erscheinenden sozialen oder ökologischen Forderungen oder auch mit als unzeitgemäß empfundenen Anforderungen im Unterricht und hinsichtlich christlicher Sitte und Zugangsvoraussetzungen zum Abendmahl und zu den Amshandlungen – zu reglementieren oder gar kalt zu stellen versucht und zu diesem Zweck zum Mittel der Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens greift. Politische Parteien und Vereinigungen, die bestimmte Ziele verfolgen, müssen und dürfen, ähnlich wie Wirtschaftsunternehmen, die Erfolg haben wollen, ihre Mitarbeiter und Repräsentanten auf Linie halten. Für die Kirche kann das so nicht gelten. Zur rechtzeitigen Abweisung von persönlich oder fachlich Ungeeigneten sollten die praktische Ausbildungs- und die Erprobungszeit genutzt werden, was gegenwärtig nicht entschlossen genug geschieht.

Es ist überhaupt unglücklich, dass die Ruhestandsversetzung so nahe bei der Wartestandsversetzung, fast versteckt innerhalb der Regelung der letzteren (z.B. §§ 87 Abs. 3 S. 2, 88 Abs. 4 und 108 Abs. 2 PfG VELKD) geregelt ist. So kann die letztere als eine Vorstufe für die erstere empfunden werden. Ich habe an anderer Stelle34 den Vorschlag gemacht, statt der Versetzung mangels gedeihlichen Wirkens in den Ruhestand eine Ruhestandsversetzung mangels Eignung einzuführen, zu regeln vergleichbar derjenigen wegen gesundheitlicher Dienstunfähigkeit36.

Dass hier eine ungute Entwicklung im Gange ist, zeigen einige Fälle, die die kirchengerichtliche Rechtsprechung in den letzten Jahren beschäftigt haben. In zwei Fällen36 ging es darum, dass Pfarrer im Wartestand wieder in vollem Umfang beschäftigt wurden, teils aufgrund von Beurlaubung in der Militärseelsorge, teils auch über viele Jahre in der Landeskirche, ohne wieder aus dem Wartestand zurückgeholt zu werden. Dass ein Warteständler beurlaubt werden kann, ist schon überraschend. Er ist doch von der Dienstleistung freigestellt, und eben dies ist auch das Wesen der Beurlaubung. Deutlich wird in beiden Fällen das Interesse der Kirchenleitung, den Betreffenden vom Lebenszeitverhältnis fernzuhalten. Also: Wartestand als erster Schritt hinaus aus dem Dienstverhältnis? In zwei anderen Sachen aus der Rhein. und der Nordelbischen Kirche37 war im Wartestand befindlichen Pfarrern dazu auch noch der ihnen erteilte Beschäftigungsauftrag mit samt den Bezügen von einem bestimmten Zeitpunkt an auf 75% gekürzt worden. Der Wartestand erscheint hier vollends als Beschäftigungsmöglichkeit minderen Rechts, mit großer Verfügungsgewalt der Kirchenleitung hinsichtlich Umfang und Dauer. Der Status eines so beschäftigten Pfarrers ist in besonderem Maße ungesichert, zumal auch das Arbeitsrecht nicht anwendbar ist. Hierüber sollte weiter nachgedacht werden38, wobei die organisierte Pfarrerschaft den Kirchenleitungen ein wichtiger Partner sein kann.

Anmerkungen

1 ReichsGes.Bl. 1873, S. 61ff, 65. Vorher hatte bereits § 87 Ziff. 2 des preuß. Disziplinargesetzes von 1852 entsprechendes geregelt und ebenso dann eine preuß. Verordnung vom 26.2.1919; dazu näher Geffers, Die politischen Beamten, Dt. Verwaltungsblatt 70, 1955, S. 658 (660).

2 Das staatliche Recht hat sich, ohne die Sache grundlegend zu ändern, für den Begriff »einstweiliger Ruhestand« entschieden (heute § 20 Beamtenrechtsrahmengesetz; §§ 36, 36a Bundesbeamtengesetz), das kirchliche ist beim Wartestand geblieben. Die gesetzgeberische Ausgestaltung ist in den verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich; im Ganzen hält man sich, wo man vom »einstweiligen Ruhestand« spricht, näher beim (endgültigen) Ruhestand, wo der Begriff Wartestand gewählt wird, erscheint dieser mehr als ein Status eigener Art.

3 Die Beamten im einstw. Ruhestand erhielten zunächst ja auch weiterhin »Wartegeld«.

4 Abl. 1927, S. 120 u. 1939, S. 73, letzteres auch in: Archiv für ev. Kirchenrecht 3 (1939) S. 268.

5 von Tiling, Die Bedeutung des Bekenntnisses für das Pfarrerdienstrecht, Ztschr. d. Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonist. Abt. 86 (2000) S. 517, 522f.

6 Das Bundesrecht hat diesen Versetzungsgrund inzwischen als entbehrlich abgeschafft, nicht so das Landesrecht.

7 Bundesverwaltungsgericht, Entsch., Bd. 19, S. 332, 336: »Die Amtsführung in diesen Schlüsselstellen soll die Politik der Regierung nicht nur nicht behindern, sondern aktiv unterstützen; deshalb bedürfen die betr. Beamten jederzeit des vollen Vertrauens der Regierung«. Näher dazu Kugele, Der politische Beamte, 1976, bes. S. 37ff.

8 Die Liste der so versetzbaren politischen Beamten wurde 1922 (!) noch erweitert »im Interesse der Festigung der verfassungsmäßigen Staatsform« (Preuß. Gesetz v. 31.12.1922, Ges.Sammlg. 1923, S. 1).

9 Dietrich, PfBl. 2002 S. 637.

10 Dazu näher von Tiling, Die Versetzung von Pfarrern, insbesondere »mangels gedeihlichen Wirkens«, Zeitschr. f. ev. Kirchenrecht 43 (1998) S. 55 (60).

11 Ähnlich Gerh. Lindemann, »Typisch jüdisch«, 1998, S. 473f. mit Anführungen aus den Ak-ten.

12 Die Aufzählung dieser Gesetze bei Dietrich (PfBl. 2005 S. 5) ist willkürlich und fehlerhaft. Für Hannover war u.a. bereits durch die Verordnung vom 6.3.1937 (KABl. S. 25) eine Verschärfung eingetreten, für Preußen u.a. durch zwei Verordnungen vom 3.2.1934 (KGVBl. S. 3ff.).

13 Entsprechende Gesetze erließ er Reichsbischof für die Sächsische (v. 31.7.1934, GBl. DEK S. 141) und die Württ. Kirche (v. 16.10.1934, GBl. DEK S. 202). Auf die (formelle) Rechtmäßigkeit dieser und mancher anderer einschlägiger Rechtssetzungsakte und Anordnungen aus dieser Phase der Kirchenkampfzeit ist hier nicht näher einzugehen.

14 Auch hierzu näher Lindemann a.a.O.

15 Lindemann, a.a.O. S. 473f., nennt einen Fall der Hannov. Landeskirche. Viele scheinen es nicht gewesen zu sein. Dietrich selbst kann für seine Württ. Kirche vor 1945 keinen einzigen Fall einer Versetzung in den Wartestand nach dieser neuen Bestimmung nennen. (PfBl. 2002 S. 638, mittl. u. rechte Spalte).

16 Dietrich, Die Einführung des Wartestandes am Beispiel der Württembergischen Landeskirche in der Nazizeit und ihre Hintergründe, Pfarrerblatt 2002, S. 636ff, das. S. 637 rechte Spalte. Dazu auch von Tiling, a.a.O. ZevKR 43, S. 65.

17 KABl. S. 63; dazu Änd. v. 21.4.1936 (KABl. S. 47) u. Erg. durch Verordng. v. 6.3.1937 (KABl. S. 25).

18 KGVBl. S. 169; dazu auf Seite 43ff. die wegen ihrer rechtsstaatlichen Behutsamkeit sehr beachtliche Begründung.

19 Sondern erst durch eine Verordnung dazu vom 15.4.1936 (GBl. DEK S. 49)

20 KGVBl. S. 3 und 4.

21 Allgem. Kirchenblatt f. d. ev. Dtl. 61 (1912) S. 725ff., 731f. Dazu s.a. das Gutachten des Kirchenrechtl. Instituts der EKD von 1962, in: Kirchenrechtliche Gutachten, i.d. Jahren 1946–1969 erstattet vom Kirchenrechtlichen Institut der EKD, Göttingen, unter Leitung von Rud. Smend, S. 159, 161, und die zitierte Begründung zum preuß. Kirchengesetz von 1930. Im Allgem. Kirchenblatt a.a.O. und in diesem Gutachten auf Seite 162ff. sind weitere landeskirchliche Rechtsnormen angeführt, die die damals meist so genannte »unfreiwillige Versetzung« eines Pfarrers unter ganz bestimmten eng gemeinten Voraussetzung zuließen.

22 Diese »innere und äußere Unabhängigkeit des Pfarrerstandes« wird z.B. auch in der zitierten Begründung zum preuß. Kirchengesetz von 1930 betont (das. S. 44).

23 Dies betont auch das Gutachten des Kirchenechtl. Inst.; es wird ebenfalls anerkannt von A.Stein, Ev. Kirchenrecht, 2. Aufl. 1985

S. 116, und von der kirchengerichtlichen Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte nicht in Frage gestellt.

24 Dass es hier in größerem Maße als je zuvor zu Versetzungen mangels gedeihlichen Wirkens kam, legt Dietrich im PfBl. 2002, S. 639 linke Spalte, dar.

25 Mainusch, Aktuelle kirchenrechtliche und kirchenpolitische Fragestellungen im Pfarrerdienstrecht, ZevKR 47 (2002) S. 1ff., 53.

26 Beispiele oben im 4. Abschnitt.

27 Zu dem besonderen, vom Beamtenrecht abweichenden Charakter dieser sog. zweiaktigen Versetzung näher von Tiling, a.a.O. ZevKR 43, S. 63.

28 Diesen betonen etwa auch das Gutachten des kirchenrechlt. Instituts, und z.B. A.Stein, Neue Aspekte im Pfarrerdienstrecht – Soll der Pfarrer kündbar werden? in: Kirche und Recht 3 (1995) S. 27ff; Chr. Link, Ruhestandsversetzung von Pfarrern wegen »nichtgedeihlichen Zusammenwirkens« mit der Gemeinde und kirchliches Selbstbestimmungsrecht, in: Festschr. f. J. Listl, 1999, S. 503 (517).

29 § 36 Reichshaushaltsordnung, ähnlich heute § 36 a BBG.

30 Z.Zt. gibt es nach dem staatlichen Beamtenrecht allerdings nur noch das Ruhegehalt.

31 Z.B. § 88 VI PfG VELKD i.d.F. vom 2.11.2004 (KABl. 2005, S. 247. 263).

32 Z.B. 3 Jahre nach § 88 Abs. 4 PfG VELKD, in anderen Gesetzen 5 Jahre.

33 Wenn Dietrich meint, die Fünf-Jahres-Frist diene geradezu der »endgültigen Ausgliederung …« (so PfBl. 2005 S. 4 mittl. Spalte), so ist dies eine Unterstellung; die Absicht des Gesetzes war dies nicht, aber es ist nicht auszuschließen, dass das Recht im Einzelfall in der NS-Zeit so gehandhabt wurde und gar noch heute so gehandhabt wird.

34 ZevKR 43 (1998) S. 55, 69f, zustimmend Link a.a.O., Listl-Festschrift S. 517.

35 Eine Pensionierung von Beamten, denen »die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt fehlt«, kennt auch das Grundgesetz in dem – allerdings infolge Zeitablaufs gegenstandslosen – Art. 132, der durch eine Verordnung v. 17.2.1950 (BGBl. I S. 34) konkretisiert war.

36 Verwaltungsgerichtshof der EKU v. 10.7.1991, Rspr.Beilage zum Abl. EKD 1993, S. 20 und Verwaltungskammer Westfalen v. 5.6.2002, Rspr.Beilage 2004, S. 14.

37 Verwaltungskammer Rheinland v. 17.6.1996, Rspr.Beil. 2000, S. 13 und Verf.u. Verw.Gericht der VELKD v. 11.2.2003, Rspr.-Beil. 2004, S.18.

38 Beachtlich ist deshalb das Bemühen des Verf.u.Verw.Gerichts der VELKD, Urteil v. 28.2.2002, Rspr.Beil. 2003, S. 5, die Anforderungen an die Ruhestandsversetzung nach §108 Abs. 2 PfG VELKD zu erhöhen.

 

Über die Autorin / den Autor:

P v. T., Jg. 1934, Studium der ev. Theologie in Bethel, Heidelberg, Basel u. Göttingen 1954–60, dort 1. theol. Examen, Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen 1960–64, Dr. jur.. Göttingen, Mitarbeit am Institut f. ev. Kirchenrecht der EKD in Göttingen bzw. München 1964–71, jur. Beamter, zuletzt Oberlandeskirchenrat in Hannover, Mitherausgeber der Zeitschrift f. ev. Kirchenrecht.

Aus: Deutsches Pfarrerblatt - Heft 4/2005

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